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Mein letzter Tampon

Mein letzter Tampon

Titel: Mein letzter Tampon
Autoren: Monika von Ramin
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analytische Querdenkerin. Und heute? Einfach nur zänkisch, das Weib.
    Hast du mit sechzehn statt auszugehen lieber Hermann Hesse gelesen, warst du eine jugendliche Romantikerin. Wenn du mit dreißig nach Australien auswandern wolltest, nannte man dich eine Träumerin. Ich wette, hinter deinem Rücken nennt man dich heute die Spinnerin.
    Warst du als Kind unpraktisch, so nannte man das süß. Hast du mit dreißig mit einem hilflosen Augenaufschlag alles bekommen, so war das schlau, denn du hast Beschützerinstinkte geweckt. Leider muss ich dir sagen, heute hält man dich für blöd.
    Aber keine Sorge, das geht munter so weiter. Je älter du wirst, desto übler treten einzelne Charaktereigenschaften hervor. Vergiss die Mär von den weisen alten Damen, die mit Souveränität und Nettigkeit den Rest der Welt in ihren Bann ziehen. Ich habe bei meinem Krankenhausmarathon in Sachen Elternbetreuung eigentlich nur zänkische, unangenehme, herrschsüchtige, neidische, schrullige, bösartige oder verblödete alte Frauen getroffen.
    Aber vielleicht werden ja reizende alte Damen nicht krank. So wie meine zwei Schwiegermütter. Die verabschiedeten sich einfach aus dem Leben, als sie fanden, dass es nun wirklich reicht. Diese Theorie schreit ja geradezu nach einer Doktorarbeit!
    Was ist aber mit deinen nun wirklich ganz eindeutig positiven Eigenschaften? Deiner Fröhlichkeit, deinem Optimismus, deiner Lebensfreude, deiner liebevollen Hingabe, deiner Intelligenz, deiner Zärtlichkeit, deinem Humor, deiner Fähigkeit, Probleme zu lösen, deiner menschlichen Anteilnahme.
    Meine Liebe, du wirst in den nächsten Jahren ganz schön zu tun haben, um diese positiven Eigenschaften zu pflegen. Damit die früher so süßen, eigenwilligen Züge nicht zu kleinen Teufeln in dir mutierten und Zank- oder Herrschlust dich vollends dominieren. Kein Mensch ist nur gut oder nur schlecht. Aber in der zweiten Hälfte unseres Erwachsenenlebens zählt allein, welche Seite bei dir siegt. Lassen wir uns nicht von unseren Teufeln besiegen!

Die Angst überwinden
    Anaphobie nennt man sie, die Angst vor der alten Frau. Alte Frauen hast du dir immer so vorgestellt wie deine Oma oder Miss Marple oder Queen Mum. Das tut auch der Rest der Welt und deshalb wird jeder protestieren, wenn du dich als alt bezeichnest. Vorsicht vor denen, die protestieren. Das sind die schlimmsten Lügner. Die halten dich nämlich nicht für alt im Sinne von Miss Marple, sondern schlicht für untragbar und peinlich.
    Inzwischen bist du selbst Oma, allerdings siehst du ein bisschen anders aus, als deine eigene Omi ausgesehen hat, und natürlich bist du noch nicht in dem gnädigen Alter einer Miss Marple oder Queen Mum. Die Hälfte deines Erwachsenenlebens liegt noch vor dir (im Falle von Queen Mum sogar ein halbes Jahrhundert).
    Wovor du eigentlich Angst hast, ist, so unsichtbar zu werden wie Tante Lehnchen. Die typische alte Jungfer in jeder Familie. Die war eigentlich schon mit vierzig das, wovor du heute Angst hast. Und diese Angst haben alle jungen Frauen. Angst, nicht mehr wahrgenommen zu werden, nur noch aus Mitleid eingeladen zu werden, niemals begehrt zu werden.
    Ich entsinne mich noch sehr gut an einen Überseeflug vor rund fünfundzwanzig Jahren. Neben mir saß eine sehr attraktive Frau, mit der ich mich blendend unterhalten habe. Als sie sich zu einem Nickerchen in den Flugzeugsessel lümmelte, hatte ich Zeit, ihr Gesicht in der aufgehenden Morgensonne zu studieren. Ja, sie bekam ganz offensichtlich Falten. Und ich habe damals gedacht: ‚Oh Gott, wie grausam, in diesem Alter zu sein. Das ist doch einfach peinlich, wenn jeder sieht, wie du alt wirst. Eine verwelkende Rose.‘
    Nicht nur, dass mich diese Gedanken in eine tiefe Depression gestürzt haben, sie haben mir fast den Urlaub versaut. Denn dieses Alter kam unweigerlich auf mich zu.
    Heute weiß ich, dass nicht diese nette Frau peinlich war. Es ist so Gott verflucht peinlich, an das eigene Altern zu denken, dass man es, solange das irgend geht, einfach verdrängt. Und wenn man ihm dann ins Antlitz schaut, wird man daran erinnert, dass jeder Mensch endlich ist. Ich kann mich noch sehr gut an dieses Gefühl des tiefsten Bedauerns erinnern, das ich dieser Frau gegenüber hegte.
    Ich möchte nicht wissen, wie viele junge Menschen mich inzwischen stumm bedauert haben. Wahrscheinlich die, die mir laut hinter rufen: „Hallo, junge Frau …“ Warum haben wir das Gefühl, bedauert zu werden? Weil niemand vormacht, wie man mit
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