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Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie

Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie

Titel: Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie
Autoren: Bud Spencer
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eine Tante eine riesige Villa, die von einem Park umgeben war, in dem es sogar einen kleinen Teich samt Schwänen sowie Bocciabahnen und ein Wäldchen gab. Kurz und gut, in meinen Augen war das eine Art Paradies, wohin ich oft zum Spielen ging. Mein Leben bestand aber nicht nur aus Vergnügungen: Mit achteinhalb Jahren schwamm ich meinen ersten Wettkampf im Wassersport-Club »Canottieri Napoli«, und zwar im offenen Meer, denn es gab zu jener Zeit dort noch keine Schwimmbecken. Ich erinnere mich, dass es vorher einen Streit mit meinem Vater gegeben hatte, weil ich etwas Verbotenes getan hatte: Damals gab es diese »Dingis«, kleine Ruderboote, die ein achtjähriges Kind wie ich niemals allein hätte steuern sollen. Trotzdem schnappte ich mir eines im Hafen und ruderte aufs offene Meer, wobei ich all die Seeleute ignorierte, die mir vom Pier Warnungen hinterherriefen. Mein Sieg im Schwimm-Wettkampf milderte den Zorn meines Vaters ein wenig. Auch mein Cousin schwamm mit, kam aber als Letzter an. Sicher war er kein besonders begabter Schwimmer, aber das sollte keineswegs negative Rückschlüsse über seinen weiteren Lebensweg zulassen: Auch er war ein »Gewinner«, denn er wurde später einer der renommiertesten Anwälte Italiens.
    Nur wenige Jahre nach diesem ersten Sieg in Neapel wurde ich zusammen mit meiner Familie wegen der Bombardements zur Flucht nach Rom gezwungen: Auch für mich war damit der Moment gekommen, in dem meine glückliche und unbekümmerte Kindheit endete.
     
    *
     
    Wie schon erwähnt, hatte uns die Tragödie des Krieges bis dato relativ wenig betroffen, und mir schien das Leben damals regelrecht monoton zu sein, mit den Ausgangssperren und dem häufigen Gerenne in die Schutzräume. Die Jugendlichen vermochten sogar, dieser Situation etwas Amüsantes abzugewinnen, denn sie schwänzten die Schule, sammelten die Bombensplitter ein, die teilweise noch warm waren, und ignorierten völlig, wie gefährlich das war. Es war unser jugendliches Alter, das uns noch heiter sein ließ, und ich möchte mich bei all jenen entschuldigen, die mich womöglich für oberflächlich halten, weil sie selbst durch den Krieg wirkliche Tragödien erleben mussten. An politische Diskussionen zu Hause über Mussolini oder Hitler kann ich mich nicht erinnern. Ich entsinne mich bloß, dass meine Eltern eines Tages ihre goldenen Eheringe abnahmen und sie dem Vaterland überließen, obgleich sie weder Faschisten noch Kommunisten waren. Sie waren überzeugt, damit etwas fürs Vaterland zu tun. Sie liebten den Frieden, aber da Italien nun bereits in den Konflikt involviert war, hielten sie es für ihre Pflicht, etwas im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten zu tun. Ansonsten war die Politik in unseren vier Wänden nie ein Thema.
    Das Neapel zu Kriegszeiten war so, wie es von Curzio Malaparte in seinem schmerzvollen Roman Die Haut oder im neorealistischen film dargestellt wurde. Bestandteile waren die sciuscià   Neapolitanische Schuhputzer nach dem Zweiten Weltkrieg, deren Name von ihrem Ruf »Shoeshine!« kommt , die segnorite   Italienische Prostituierte, die so von den amerikanischen Soldaten genannt wruden, die Spanisch (»señorita«) und Italienisch (»signorina«) vermischten , der Schwarzmarkt und ein Hunger, der noch viel schwärzer und elender war. Auch erinnere ich mich gut an die scugnizzi   Die bis heute typischen Strassenkinder oder jugendlichen »Herumlungerer« Neapels , meine Altersgenossen, die geschmuggelte Zigaretten verkauften, indem sie die englischen Namen mit ähnlich klingenden Dialektausdrücken tarnten: Aus den Chesterfields wurden cess'e fierro (»Eisen-Klo«), die Camels nannten sie o' ciuccio co' scartiello (»Esel mit Buckel«), allucca e strilla (»Schreie und brülle«) stand für Lucky Strike, so wie e' pall' ammano (»Kugeln in der Hand«) der Codename für Pall Malls war. Es waren junge, ausgehungerte Menschlein, die sich einiges einfallen lassen mussten, um sich durchzuschlagen. Ich erinnere mich an jenen Tag, als wäre es heute, als der Wahnsinn des Krieges schlagartig aufhörte, nur ein bizarrer Rahmen für meine Kinderspiele zu sein: Dieser Moment kam mit der durch einen amerikanischen Bombentreffer ausgelösten krachenden Explosion eines Schiffes, das voll beladen mit Sprengstoff am Hafen vor Anker lag, direkt vor der Fabrik unserer Familie, einem Gebäude mir sechs Stockwerken in der Industriezone am Pier. Dort wurden Eisenmöbel produziert, und wenn die Fabrik nicht zerstört worden
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