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Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie

Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie

Titel: Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie
Autoren: Bud Spencer
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Wasser springt. Ganz so, als ob für dich die Regeln des gesunden Menschenverstands nicht gelten würden.«
    Der junge Schwimmer antwortete mit einem Achselzucken. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du ein alter weiser Mann geworden bist? Oder muss ich mich darauf gefasst machen, dass du auch bald so geschwollenes Zeug schreibst wie Sokrates?«
    »Du bist nicht nur unverschämt, sondern auch ungebildet. Sokrates hat keine einzige Zeile seiner Gedanken zu Papier gebracht. Er hat sie bloß mündlich weitergegeben.«
    »Das weiß ich doch. Ich wollte bloß sehen, ob du drauf hereinfällst. Und vergiss nicht, dass ich die Anabasis von Xenophon auswendig kenne. Also nenn mich bloß nicht ungebildet!«
    Mit Vergnügen konterte ich seine sympathische Arroganz. »Ja, klar. Du rezitierst die Anabasis und verstehst gleichzeitig doch kein Wort davon. Dank deines guten Gedächtnisses konntest du sie den Lehrern in einem Atemzug herunterbeten, und zwar so schnell, dass sie keine Zeit hatten, dich nach der Bedeutung zu fragen. Toller Trick, aber damit kannst du vielleicht andere. hinters Licht führen, mich nicht.«
    Carlo verschränkte die Hände hinterm Kopf und lächelte: »Tja, da hatte ich doch ganz vergessen, dass ich mit jemandem rede, der mich sehr gut kennt!«
    »Ich dagegen weiß sehr wohl, mit wem ich mich unterhalte: mit Carlo Pedersoli, dem Schwimm-Champion, der noch nicht ganz verstanden hat, was er eigentlich draufhat.« Das verschlug ihm die Sprache, wenn auch nur für einen Moment. »Meinst du? Ich weiß schon, was ich draufhabe: Heute erst habe ich den Rekord über 100 Meter Kraul gebrochen, ich bin der erste Italiener, der dies unter einer Minute geschafft hat. So eine Riesenmedaille haben sie mir verliehen! Ich bin italienischer Meister!«
    Darauf erwiderte ich sofort sarkastisch: »Na prima! Aber wenn du nicht rauchen würdest, wärst du jetzt vielleicht Weltmeister.« Das hatte ordentlich gesessen, doch versuchte er das durch ein schallendes Lachen zu überdecken. Dieses Lachen kannte ich aber nur zu gut, da es mein eigenes war - daher ließ ich mich auch nicht täuschen und lächelte nur. Gleichwohl verstand er, dass es mir großes Vergnügen bereitete, mir selbst als jungem Mann wiederzubegegnen. Hätte uns in diesem Moment irgendein  Psychiater erwischt, hätte er sogleich einem von uns - oder auch uns beiden - Zwangsjacken angelegt, und zwar mit der Diagnose »Persönlichkeitsstörung« oder »manische Depression«. Denn in der realen Welt wäre solch eine Unterhaltung »vis-a-vis« zwischen dem Schauspieler Bud Spencer, vormals Carlo Pedersoli, und dem Schwimm-Champion Carlo Pedersoli, der noch nicht in Berührung mit dem Film gekommen ist, nie möglich gewesen. Wem das bizarr oder schizophren vorkommt, der möge bedenken, daß es auch Menschen gibt, die fest daran glauben, dass Gott tot, aber Elvis noch am Leben sei!
    Warum sollte man sich also wundern, dass ich mich darauf eingelassen hatte, mir selbst an meinem achtzigsten Geburtstag zu begegnen? Im Grunde ist all das, was ich in meinem Leben getan habe - so viel oder wenig das auch immer gewesen sein mag -, direkt auf die Lebensphilosophie zurückzuführen, die ich dem Leistungssport verdanke. Während mir der Erfolg im Kino durch die Gunst der Zuschauer geschenkt wird, die sie mir vielleicht von einem Tag auf den anderen entziehen, sobald sie irgendwann die Nase von mir voll haben, so sind doch die Spitzenleistungen eines Schwimmers direkt von der Stoppuhr abhängig, also von einem objektiven Parameter. Auf die Meinung anderer kommt es überhaupt nicht an. Diese Erkenntnis war diesem »Strand-Adonis«, mit dem ich mich hier gerade unterhielt, völlig fremd. Aber ich wollte sein übertriebenes Selbstbewusstsein ja nicht noch weiter steigern, weil ihm das dann vollends zu Kopfe gestiegen wäre.
     
    *
     
    Diese Gedanken beschäftigten mich nur einen kurzen Moment lang. Ich sah gerade noch, wie der junge Carlo nach einer weiteren Zigarette griff, um sie sich zwischen die Lippen zu klemmen, und bewegte mich auf ihn zu. Blitzartig streckte ich den Arm aus, schnappte mir zu seiner Überraschung die Zigarette und zermalmte sie in meiner Hand, noch bevor er sie anzünden konnte.
    »Sorgst du dich etwa um meine Gesundheit?«, fragte er verblüfft.
    »Nein, aber mir gegenüber brauchst du wirklich nicht den Angeber zu markieren, auch wenn du zwanzig bist und dich für Superman hältst.« 
    Der Schwimmer ließ sich entspannt auf einem Plastikstuhl
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