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Mein Leben für dich

Mein Leben für dich

Titel: Mein Leben für dich
Autoren: Loewe
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Ansprachen. Ich weiß sowieso schon, was kommen wird. Nachdem der erste Schreck überwunden ist und er jetzt weiß, dass mir nichts Ernsthaftes zugestoßen ist, wird er mir erklären, dass ich noch heute meine Sachen packen und zurück ins Internat soll, weit weg von Simon und dem, was seinetwegen passiert ist.
    »Mia … wenn du mich schon nicht sehen willst, dann lass mich dir wenigstens von hier aus etwas sagen.«
    Ich höre, wie er sich räuspert, so wie immer vor einer seiner Reden, und ich verdrehe genervt die Augen. Warum kann er mich nicht wenigstens jetzt in Ruhe lassen? Er kann sich doch denken, dass ich fast ersticke vor Sorge um Simon und keinen Nerv für irgendwelche Diskussionen habe.
    »Ich weiß, du bist sauer auf mich und enttäuscht«, dringt seine Stimme dumpf durch die Tür, »aber … ich habe viel nachgedacht und festgestellt, dass du recht hattest. Mit vielem.«
    Ich antworte nicht und schiele nur skeptisch zur Tür.
    »Weißt du, nachdem Marina … deine Mutter … gestorben war, da … da wollte ich am liebsten auch sterben. Ich wusste nicht, was ich noch allein und ohne sie anfangen sollte. Alles kam mir so sinnlos vor. Aber nachdem ich begriff, dass noch eine Menge Lebenszeit vor mir liegt, da … habe ich mich in die Arbeit gestürzt. Noch mehr als zuvor. Um nichts mehr fühlen und am Abend vor lauter Müdigkeit nur noch ins Bett fallen und ja nicht mehr nachdenken zu müssen.«
    Er macht eine Pause. Nach ein paar Sekunden frage ich mich, ob er überhaupt noch da ist. Leise stehe ich auf und schleiche mich zur Tür. Dann lasse ich mich vorsichtig auf dem Boden nieder und lehne mich mit dem Rücken dagegen. Ich lausche.
    »Es stimmt, ich hatte nicht vor, dich vom Internat zu nehmen«, fährt er schließlich fort. »Ich habe es nur aufgrund dieser Drohbriefe getan.«
    Na also, denke ich, wusste ich es doch.
    »Aber nachdem du dann hier warst, merkte ich auf einmal, dass ich dich die ganzen Jahre über schrecklich vermisst habe. Ich wusste es nur nicht, weil ich ständig versucht habe, mich abzulenken. Du bist ihr so ähnlich, Mia. Dich anzuschauen ist, als würde ich in ihre Augen blicken. Bloß dein Temperament, das hast du von mir.«
    Ich merke, wie sich mein Mund automatisch zu einem Lächeln verzieht. Schnell presse ich meine Lippen aufeinander.
    »Ich möchte nicht, dass du gehst. Ich möchte, dass du hier bei mir bleibst und wir uns einander wieder annähern. Ich liebe dich, Mia. Deshalb hatte ich auch so große Angst davor, dass dir etwas zustößt oder dir jemand wehtut, ohne dass ich es verhindern kann. Ich wollte dich nur beschützen, weil ich …«
    Wieder macht er eine Pause und ich merke, dass meine Hände und Lippen zu zittern beginnen.
    »Ich würde es nicht ertragen, dich … auch noch zu verlieren.«
    Beim diesem letzten Satz bricht die Stimme meines Vaters ab und geht unter in einem Schluchzer. Mir wird heiß und kalt und ich spüre ein seltsames Ziehen in meinem Körper.
    »Eben kam ein Anruf vom Krankenhaus«, fährt mein Vater fort. Seine Stimme klingt jetzt schon wieder gefasster.
    Ich horche auf und halte den Atem an. Mein Herz beginnt zu rasen.
    »Simon wird es schaffen«, höre ich von draußen.
    Ich schließe die Augen.
    »Es wird noch dauern, aber er wird es schaffen.«
    Ein paarmal hole ich tief Luft, und auf einmal ist mir, als würde ein riesiger, erdrückender Felsbrocken auf meiner Brust zu lauter kleinen Kieselsteinen gesprengt.
    Simon wird es schaffen, er wird wieder gesund, er wird nicht sterben. Die ganze Anspannung der letzten Stunden, diese schreckliche, entsetzliche Angst um ihn, all das fällt von mir ab.
    Ich horche auf. Durch die Tür hindurch vernehme ich jetzt, wie sich die Schritte meines Vaters entfernen. Ohne auch nur einen Augenblick nachzudenken, springe ich auf und reiße die Tür auf. Im selben Moment erschrecke ich vor meiner Reaktion. Stocksteif und heftig atmend stehe ich da, als wäre ich plötzlich gelähmt. Wie in Zeitlupe nehme ich meinen Vater wahr, der sich jetzt langsam zu mir umdreht.
    »Papa!« Als er mich anblickt, kann ich meine Tränen nicht länger zurückhalten. Meine Beine lösen sich wie von selbst aus der Starre und ich renne den Korridor entlang auf ihn zu. Mein Vater fängt mich auf, so wie er es früher immer getan hat, als ich klein war und den Hügel vor unserem Haus hinunterlief, um ihn zu begrüßen, wenn er von der Arbeit kam. Er drückt mich fest an sich und ich schluchze und weine und merke, dass auch die
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