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Mein Leben für dich

Mein Leben für dich

Titel: Mein Leben für dich
Autoren: Loewe
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sogar.
    »Es tut mir … echt total leid, Mann«, murmelte er. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Schätze, ich hatte den totalen Blackout.«
    »Komm, vergiss es. Ist schon okay.«
    Simon hob den Kopf und starrte seinen Bruder ungläubig an. Er fühlte sich wie gerädert, hatte die ganze letzte Nacht kein Auge zugetan. Aber diese Aussage gab ihm den Rest. In diesem »Okay« lag alles, wogegen er seit Monaten ankämpfte: Ironie, Geringschätzung, Gleichgültigkeit. Es fegte sein Streben nach Anerkennung einfach weg.
    »Was?« Simon rang um Worte. »Nein … Nein, das ist verflucht noch mal nicht okay, Ben! Warum hast du das getan?« Die Frage war seit vorgestern ununterbrochen in seinem Kopf umhergekreist. Wie ein Strudel mit einem tiefen dunklen Loch in der Mitte, in dem die Antwort schwamm, die er eigentlich längst kannte und abgrundtief hasste. Die Antwort darauf, warum sein Bruder für ihn in den Knast gewandert war, weshalb er alles auf sich genommen hatte. Warum er das Gefühl gehabt hatte, seinen kleinen Bruder beschützen zu müssen.
    Je mehr ihm bewusst wurde, was passiert war, desto mehr war die Wut in ihm gewachsen. Was Ben getan hatte, zeigte, dass er ihn nach wie vor nicht für voll nahm.
    Er war sogar so wütend gewesen, dass er letzte Nacht Lissi von sich gestoßen hatte, als sie sich an ihm rieb, sich an seinem Körper hinabküsste und ihn von all seinen Sorgen »freiblasen« wollte. Etwas, worauf er sonst immer abfuhr. Aber dieses Mal hatte sie ihn mit ihren Annäherungsversuchen einfach bloß genervt.
    »Scheiße, was sollte das?«, fauchte Simon seinen Bruder jetzt an. »Warum bist du den Bullen in die Arme gerannt? Du hättest mich einfach stehen lassen sollen! Das war mein Deal! Was hattest du überhaupt dort zu suchen?«
    Ben lachte auf und ließ sich kopfschüttelnd zurück auf seinen Stuhl fallen. Er trug noch dieselben Klamotten wie in der Nacht seiner Festnahme: zerschlissene Jeans und ein dunkelgrünes Shirt, auf dem irgendwann einmal ein Aufdruck gewesen war. Die dunklen Bartstoppeln ließen ihn verwegener aussehen und seine blauen Augen noch mehr hervorstechen.
    »Du bist so ein Vollidiot, Simon. Du checkst es echt nicht, oder?«
    Simon wurde schlecht vor Zorn und er musste sich setzen. Bens Gelassenheit machte ihn rasend und er riss sich zusammen, um seinen Bruder nicht anzuschreien und am Ende damit den Wärter auf sich aufmerksam zu machen.
    »Was gibt es da zu checken?«, presste er hervor. »Ich meine … deine Aktion war … komplett hirnrissig. Wenn schon, dann sollte ich jetzt hinter Gittern sitzen. Ich habe es schließlich verbockt, nicht –«
    »Halt die Klappe!« Bens Stimme war scharf. »Was ich getan habe, war das einzig Vernünftige, okay? Ich hatte es dir von vornherein gesagt. Diese ganze Scheiße ist nichts für dich, Kleiner. Kapier es endlich – du musst niemandem beweisen, dass du cool bist, indem du Autos knackst. Weder dir selbst, noch mir, noch Rick. Besonders nicht Rick, okay? Halte dich von ihm fern. Und verdammt noch mal, beweg endlich deinen Arsch und mach was aus deinem Leben!«
    Die Worte hallten dumpf in seinem Schädel. Wieder diese Pseudoratschläge, die ewig gleiche Leier. Ben stieß ihn aus seinem Leben, weil er ihn für einen Warmduscher hielt. Dabei war sein großer Bruder der Einzige aus der Familie, zu dem Simon wirklich aufblickte.
    »Warum ich?« Simon fuhr sich über die pochende Stirn. »Wieso denken alle, ich hätte so viel auf dem Kasten? Und warum machst du weiter in der Gang, wenn alles so scheiße ist, wie du behauptest?« Er hatte es satt. So satt, dass Ben immer eine Kluft zwischen ihnen schuf, indem er seinen jüngeren Bruder als den Saubermann, den Intelligenzbolzen hinstellte. Ben hörte sich genauso an wie ihre Mutter. Als hätten sie sich heimlich verbündet. Wenigstens in diesem einen Punkt.
    »Du bist ein guter Junge, Simon. Du wirst es einmal anders machen als Ben. Besser. Er ist uns irgendwie entgleist. Ich weiß nicht, wie und wann.«
    Er hatte ihre ewig weinerliche, brüchige Stimme noch immer im Ohr, obwohl er schon seit ein paar Monaten nicht mehr zu Hause gewesen war. Hauptsächlich, weil er ihren neuen Freund nicht abkonnte. Aber auch wegendieser Stimme, in der immer ein Hauch von Vorwurf lag. Wahrscheinlich, weil sie insgeheim genau wusste, dass er ihre Hoffnungen nicht erfüllen würde. Nicht jetzt und auch nicht später. Weil er nicht der Typ war für ein langweiliges Leben mit Acht-Stunden-Job und Monatsticket. Das
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