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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Autoren: Omar Nasiri
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Wagen und kam auf mich zu. Er war ein großer Mann, stattlich und athletisch gebaut. Er hatte eine scharf geschnittene, sehr gallische Nase, und sein schwarzes Haar wurde bereits grau. Er nahm meine Tasche, verstaute sie im Kofferraum und stellte sich als Sonny Tuckson vor. Diesen Augenblick werde ich niemals vergessen. Heute weiß ich natürlich, dass er meine Akte gelesen hatte und um meine Begeisterung für Buck Danny und für Flugzeuge wusste. Doch damals war das ein magischer Augenblick für mich – ein Erwachsener, der ein Teil meiner Welt war. Ich war hingerissen.
    Fünf Jahre lang wohnte ich bei Édouard in einem Schloss auf dem Land. Er war etwa vierzig Jahre alt und lebte mit seinen Eltern und seinem Bruder auf einem weitläufigen alten Landsitz. Meine Pflegefamilie stammte aus der Schweiz. Schließlich erfuhr ich, dass Édouard viele Jahre lang im öffentlichen Dienst gearbeitet, seine Arbeitsstelle aber aufgegeben hatte und jetzt Geld vom Staat bezog, weil er Pflegekinder bei sich aufnahm und dafür sorgte, dass sie ihre Schulausbildung auch abschlossen. Stets lebten um die fünfundzwanzig Pflegekinder im Haus.
    Édouard war sehr engagiert. Er lebte sehr bewusst und wollte, dass wir alle im Leben Erfolg hatten, und wenn wir scheiterten, ging ihm das sehr viel näher als uns selbst. Er war immer sehr ehrlich zu uns und lehrte uns, ebenfalls ehrlich zu sein.
     
    Im Lauf der Jahre verbrachte ich mehr und mehr Zeit für mich alleine. Als ich bei Édouard einzog, spielte ich nicht mehr sehr viel mit anderen Kindern. Ich beschäftigte mich gern alleine. Ich lernte Klavier spielen und war oft im Pool hinter dem Schloss zu finden, in dem ich ganz für mich schwamm. Ich liebte das Schwimmen, im Wasser fühlte ich mich so frei. Mein Körper war leicht, und ich konnte alles mit ihm anfangen: Salti schlagen, tauchen, mich in jede Richtung bewegen. Nichts konnte mich aufhalten.
    Ich verbrachte auch viel Zeit vor dem Fernseher. Im Salon stand ein Fernsehgerät, und nach den Unterrichtsstunden saß ich oft alleine dort und sah stundenlang fern. Spielfilme hatten es mir besonders angetan. Ich sah Hunderte von Filmen über den Zweiten Weltkrieg, darunter Tora! Tora! Tora!, Schlacht um Midway, Dreißig Sekunden über Tokio . Wie versteinert saß ich vor diesen Filmen. Ich wusste, dass ich niemals Pilot werden konnte, und dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – waren diese Filme ein unglaublich intensives Erlebnis. Ich stellte mir vor, ich sei ein amerikanischer Kampfpilot über dem Pazifik. Meine Phantasie war so lebhaft, dass ich unmittelbar körperlich empfand, dass ich, über die Wellen fliegend, einer von ihnen war.
    Ich hasste die Deutschen und die Japaner, weil sie meine Feinde waren. Ich sah Hunderte von Filmen und Dokumentarberichten über die Konzentrationslager, und diese Beiträge hatten eine schreckliche, fürchterliche Wirkung auf mich. Hitler, die Konzentrationslager, unzählige Leichenberge – das war das Böse schlechthin.
    Die Japaner waren anders. Die Kamikazeflieger faszinierten mich, die Bilder von ihrem gezielten Absturz auf amerikanische Flugzeugträger, die explodierenden Feuerbälle. Natürlich waren sie der Feind, aber zugleich bewunderte und verstand ich sie. Mit einer sehr viel stärkeren Macht konfrontiert, taten sie das Einzige, was sie zur Rettung ihres Heimatlandes und ihrer Ehre tun konnten.
    Ich mochte auch Sciencefiction. Ich liebte den Krieg der Welten und war süchtig nach Raumschiff Enterprise . Zu Hause in Brüssel hatten wir keinen Fernseher, also ging ich, wenn ich in den Ferien dort war, abends aus dem Haus und sah mir Raumschiff Enterprise in den Schaufenstern der Elektrogeschäfte an.
    Es dauerte nicht lang, und ich sah mich in der Rolle eines Außerirdischen. Manchmal hörte ich einen Klang in meinem Ohr und stellte mir vor, es sei eine Botschaft aus dem Weltraum. Wenn die anderen Jungen Fußball spielten, ging ich oft alleine zu einem der leeren Spielfelder. Ich streckte die Arme hoch in die Luft, schloss die Augen und stellte mir vor, wie mich eine große Kraft in den Weltraum saugte.
     
    Édouard warf ein Auge auf mich, und das geschah vielleicht, weil ich auffiel. Er war freundlich zu mir; wenn ich für mich alleine dasaß, kam er oft und setzte sich neben mich. Ich begeisterte mich für alle möglichen wissenschaftlichen Themen, und er verbrachte viele Stunden damit, mir von den Sternen, von Energie und Atomkraft zu erzählen. Ich war von ihm so angetan. Er war
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