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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine
Autoren: Horst Evers
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Unzulänglichkeiten mit solch einer heiklen Aufgabe betraut wurde.
    - Sagt Ihnen die Konzeption »Beste aller möglichen Welten« etwas?
    Natürlich sagte mir das etwas. Eine Gruppe, bestehend aus den wohl fähigsten und brillantesten Geistes- und Naturwissenschaftlern unserer Zeit, beschäftigt sich schließlich schon seit Jahren mit dieser Konzeption. Sie geht zurück auf eine zunächst wenig beachtete Kurzgeschichte vom Anfang des 21. Jahrhunderts. Ein damals eher unbekannter Schreiber namens Horst Evers hatte sie seinerzeit verfaßt. 2070 wurde sie Gottseidank wiederentdeckt, und seither fasziniert und begeistert sie die klügsten und innovativsten Köpfe der denkenden Welt. Dabei ist die Grundidee dieser Geschichte für Evers’ Verhältnisse relativ schlicht. Die durchaus spannende Kriminalerzählung spielt in der besten aller möglichen Welten. Sämtliche Tätigkeiten, Aufgaben und Pflichten werden dort von Computern oder Robotern ausgeführt. Sie produzieren, verteilen, putzen, überwachen die Ressourcen, forschen, reparieren und warten sich gegenseitig, machen Filme, Theater, schreiben… -eben alles. Die Menschen machen alles in allem nichts, haben also ausschließlich Freizeit, es wird für sie gesorgt, sie können tun und lassen, was sie wollen.
    - Die Zeit ist reif, wir können jetzt mit der Einführung dieser besten aller Welten beginnen!
    Ich erschrecke und sinke in meinen selbstreinigenden Sessel zurück. Dieses vollkommene Selbstreinigungsprinzip irritiert mich immer noch. Gut, man muß jetzt keine Toilette mehr aufsuchen, sondern kann an Ort und Stelle ohne Geruchsentwicklung oder Feuchtigkeitsrückstände jegliches Geschäft und Geschäftchen erledigen. Alles wird vom Sitz aufgenommen, verarbeitet und zu einer riesigen Fäkalblase transportiert, welche hinten am Zug hängt und lustig hin und her schlackert. Aber irgendwie mag ich das nicht so. Außerdem habe ich noch nicht das große Blasenunglück von Leipzig vergessen, als kurz vor dem Bahnhof die Blase platzte und sich der ganze Dreck… Nie werde ich das Bild von dem kleinen, verendenden Vogel mit seinem verklebten Gefieder vergessen.
    - Die beste aller Welten? Heißt das, Sie haben eine Lösung gefunden, wie Sie die Menschen davon abbringen können, die Kontrolle über die Computer und Roboter und damit unendliche Macht zu erringen?
    - Hä? Wir haben nämlich eine Lösung für das Kontrollproblem!, krakeelt Tempelmeier, dann schaut er sich um, ob ihn jemand hören könnte. Mir wird mulmig:
    - Um Gotteswillen, bitte nicht, das ist viel zu gefährlich.
    - Ach, was soll schon passieren?
    - Bitte? Wahrscheinlich wäre das das Ende der Menschheit. Wir würden früher oder später alle versklavt werden.
    - Ach, glaub ich nicht…
    Plötzlich verschwindet Tempelmeier. Einfach so. Dann verschwinden die anderen Fahrgäste, dann der ganze Zug, und ich falle neben den Gleisen in ein kleines Gebüsch.
    Was war geschehen? Eine neuartige Bombe? Außerirdische, die alles, was sie brauchen konnten, auf ihren Planeten gebeamt hatten, oder war alles nur ein böser Traum gewesen?
    Nein, die Ursache für dieses Verschwinden lag schon beinah 100 Jahre zurück.
    Berlin, im November 2007.
    Ein blasser, glatzköpfiger Mann sitzt an seinem Küchentisch und arbeitet an einer Geschichte. Noch klingen ihm die Ohren vom letzten Telefonanruf: »Mensch Horst, sieh bloß zu, daß Du den Text bis morgen fertigkriegst, wenn Du den Termin wieder verpaßt, brennt’s in der Hütte. Sei doch mal ein bißchen verantwortungsbewußt.«
    Aber Horst ist unzufrieden. Die Konzeption, eine Kriminalgeschichte in einer besten aller Welten, steht zwar schon, aber eigentlich hätte er gerade jetzt unheimliche Lust, mal eben ein Bier trinken zu gehen. In seinem Innern findet ein grausamer Kampf statt, Bier oder schön verantwortungsbewußt sein. Schließlich fällt die Entscheidung: Bier!
    Die Geschichte wurde nie zu Ende geschrieben. Obwohl Horst Evers damit die Welt und die Menschheit gerettet hat, dankt man es ihm wenig. Statt dessen gibt es ungerechte und kleinkrämerische Vorwürfe. So geht es einem, wenn man die Menschheit vor dem Untergang bewahrt. Und bezahlen tut einem das auch keiner.
    Wie dem auch sei, was hätte nicht alles vermieden werden können, wenn alle immer so verantwortungsbewußt wie Horst Evers gehandelt hätten? Wenn zum Beispiel Oppenheimer, statt die Atombombe zu bauen, lieber mal ein Bier trinken gegangen wäre? Wie viele Unglücke der Menschheitsgeschichte hätten
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