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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod
Autoren: Volker Ferkau
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kannst es. Wir alle können es. Glaube mir, ich weiß, von was ich rede. Du kannst sie töten, denn ich erlaube es dir.«
    » Ich will es nicht!«
    » Beweise mir, dass du ein Mann bist.«
    » Und wie? Wie soll ich es tun?«
    Vater nahm die Maus aus dem Käfig und ging zum Waschbecken. Er setzte sie hinein. Das winzige Tier versuchte verzweifelt, aus dem Becken zu klettern, doch die Wände waren zu glatt.
    »Lass Wasser einlaufen. Nur so viel, bis sie schwimmen muss.«
    » Aber sie wird ertrinken.«
    » Tue es. Beweise, dass du Eier in der Hose hast.«
    Dad nannte ihm den Grund. Er wollte, dass Max sich bewies. Er wollte ihn respektieren, dieser alte Saufbold. Er wollte, dass sein Sohn zeigte, dass er Rückgrat besaß. Und die Verantwortung lag ja nicht bei ihm, sondern bei Dad. Max öffnete den Wasserstrahl. Bald schwamm die Maus.
    »Darf ich sie rausholen?«
    » Bitte fahre fort«, sagte Georgie.
    May ließ noch mehr Wasser nachlaufen. Er blickte Dad an. »Und jetzt?«
    » Es ist wichtig, dass du es beendest.«
    » Aber ...«
    » Fahre fort, mein Sohn.«
    Es war nur eine Maus. Eine von unzähligen Mäusen. Also war es eigentlich egal. Eine Maus weniger. Sie wurden lebendig an Schlangen verfüttert, von Katzen verspeist, vom Habicht geschlagen. Nur eine Maus.
    Sie strampelte und japste nach Luft. Max brach der Schweiß aus. Er wollte es beenden. Jetzt sofort. Er wollte nicht sein wie sein Vater, der es nicht beendet hatte. Er wollte nicht zusehen, wie das niedliche Tier ertrank. Es entleerte sich und seine Köttel bildeten schlierige Fäden im Wasser.
    Soeben wollte er die Hand ins Becken strecken, um die Maus zu retten, als sein Vater ganz ruhig und sachlich sagte: »Tue es. Bringe es zum Ende. Fahre fort.«
    Und Max, dem inzwischen Tränen über das Gesicht liefen, wartete, bis die Maus versank. Sie ertrank schnell und trieb wie ein nasses Fellknäueln regungslos im Waschbecken.
    Fast zärtlich nahm Vater die Maus hoch und warf sie in den Mülleimer.
    Max schämte sich zutiefst.
    Vater sah ihn stolz an. »Nun hast du etwas für dein Leben gelernt, mein Sohn. Nicht alle Lehren sind schmerzfrei. Diejenigen, die weh tun, merkt man sich.« Vater sprach inzwischen perfekt Deutsch, lediglich mit einem weichen Akzent.
    An diesem Abend versteinerte Georg W. Fielding vor der Glotze, auf den Knien Jim Beam, im Kopf Leere.
    Max lag im Bett und weinte. Und er schwor bei seiner toten Mutter, dass er den Namen Fielding ablegen würde. Er wollte nicht der mordende Sohn eines Mörders sein. Er war nicht stolz auf sich, und die Berliner Mauer in Vaters Seele war ihm egal. Er war noch zu jung, um zu spüren, dass der Riss in seiner jungen Seele schon geschehen war.
    Das spürte er erst später, als das Drama seinen Lauf nahm. Er begann zu zittern.

9
     
    Berlin 2013
     
    Lena war sich der Ungehörigkeit, die Maximilian Jung begangen hatte, bewusst – und sie genoss es. Zwar war der Mann sehr viel älter als sie, aber er wirkte wie ein Mittdreißiger, also akzeptabel. Außerdem schien er zu wissen, was gut für sie war, denn schon nach zwei Therapiestunden fühlte sie sich bei ihm gut aufgehoben, besser als bei diesem dicken Veit, der sie zuvor betreut hatte und von seinem Job so viel zu wissen schien wie eine Fliege vom Tischlern.
    Lena hörte Max gerne zu. Er hatte eine weiche , schwingende Stimme, mit der er seine Patienten zweifellos spielerisch in Hypnose versetzte. Seine dunklen, südländisch anmutenden Augen hatten die Tiefe eines verwunschenen Sees und wenn er lächelte, zeigte er zwei Reihen schöner Zähne. Er schien ein Mann zu sein, mit dem sie sich am Strand sehen lassen konnte, zumindest waren ihr noch keine Hüftrollen an ihm aufgefallen, auch kein Bauch. Ihr gefiel, dass er seinen Körper offensichtlich nicht rasierte, denn über den kleinen Ausschnitt seiner Poloshirts blinzelten dunkle Haare hervor. Seine Art, sich zu bewegen, hatte etwas von einer Katze und seine Lippen wirkten fordernd.
    Und nun betrachtete sie seine gepflegten schmalen Finger und schauderte, als sie daran dachte, was diese auf ihrer Haut anstellen konnten. Er war ein sinnlicher Mann, obwohl er selbst das anscheinend nicht wahrnahm.
    »Wenn das rauskommt, bin ich meine Zulassung los«, sagte er und beugte sich etwas vor.
    Sie waren in einem der guten Berliner Restaurants, in denen es neben Spezialitäten auch so bürgerliche Dinge wie Jägerschnitzel und Zwiebelrostbraten gab.
    »Wer sollte Sie verpfeifen?«, fragte sie.
    Sie hatte sich für
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