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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod
Autoren: Volker Ferkau
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den heutigen Abend schön gemacht. Das erste Mal seit fast zwei Jahren. Und sie war nervös. Seit Deniz’ Tod war sie schneller gealtert, als ihr lieb war. Vom Mädchen, das in eine glühende Liebe zu einem türkischen Jungen entbrannt war , zur Frau, die mit einem älteren Mann ausging, der einen Doktortitel trug.
    Seit dem Unglück in der Nebelnacht lebte sie alleine.
    Der Streit, den sie mit Vater und Mutter gehabt hatte, als sie andeutete, einen Türken zu lieben, war auch nach dem Schrecken nicht beigelegt worden. Im Gegenteil ließ ihr Vater keine Minute ungenutzt, ihr vorzuhalten, sie habe das alles nur deshalb erleben müssen, weil sie sich mit Türken und Schwulen rumgetrieben habe. Seit einem Jahr hatten sie überhaupt keinen Kontakt mehr.
    »Worüber w ollen wir reden?«, fragte sie. Sie wartete Maximilians Antwort nicht ab und fügte hinzu: »Oder wollen Sie mich hier therapieren?«
    Max lächelte und schüttelte den Kopf. Er winkte dem Kellner, der ihnen Wein nachschenkte, wartete, bis der Mann sich entfernt hatte, und fragte: »Wer sind Sie wirklich, Lena?«
    » Sie wissen fast alles über mich, Doktor.«
    » Bitte nennen Sie mich Max.«
    » Max, ein schöner Name.«
    » Fanden meine Eltern auch.«
    » Es gibt kaum etwas, das du von mir nicht weißt«, sagte sie und Max hob die Brauen, als sie direkt in die persönliche Anrede fiel. »Ich bin mir sicher, du hast alles, was es an Unterlagen über mich gibt, vorliegen. Oder glaubst du, ich weiß nicht, wie Krankenkassen verfahren? Schließlich habe ich selbst die Freigaben unterschrieben.«
    Er nippte an seinem Glas. »Du bist zweiundzwanzig Jahre alt. Gelernte Bürokauffrau. Seit zwei Jahren krankgeschrieben. Du lebst alleine, da du Streit mit deinen Eltern hast. Du liebst alte Rockmusik, aber auch deutsche Musiker wie Grönemeyer und Kunze, also Musik, die man in deinem Alter nicht unbedingt hört, sondern eher in meinem.«
    » Ich bin also eine ganz und gar langweilige junge Frau, nicht wahr? So gut wie keine sozialen Kontakte, keine facebook-Seite, dafür tausend Bücher.«
    Er antwortete nicht.
    » Ich lebe in meiner ganz persönlichen Traumwelt. Tagsüber zwischen Bücherseiten und nachts mit einem blutigen Messer in der Hand.«
    » Hast du noch Kontakt zu Toni und Wölfi?«
    » Nein. Wenn ich sie sehe, erinnere ich mich daran, wie es war. Und das ertrage ich nicht.«
    » Dann sollte ich etwas über mich erzählen. Wäre dir das recht?«
    » Aber gerne, Herr Doktor.«
    » Ich gehöre zu den Männern, die den Namen ihrer Frau angenommen haben.«
    » Deine Frau?« Sie zuckte unmerklich zusammen. Aha, so war es also. Er suchte sich eine Gespielin, während Mama Jung zuhause mit den Nudeln wartete.
    » Sie starb vor fünf Jahren. Aber ich behielt ihren Namen.«
    » Oh, das tut mir leid.«
    » Das mit meiner Frau oder das mit meinem Namen?«
    Blödmann !, wollte sie sagen, aber das schien ihr doch zu maßlos. Keine Nachfrage, woran sie starb und warum. Er würde es ihr sagen, wenn er bereit war.
    » Du hast ein schlechtes Gewissen«, sagte sie stattdessen. »Das riecht man förmlich. Du findest mich attraktiv und möchtest gerne mit mir zusammen sein, aber du schämst dich, gegen deine Berufsethik zu verstoßen.«
    Nun schien der Mann tatsächlich perplex zu sein. Sein Mund schnappte auf und zu und Lena lachte perlend. »Ich war schon immer eine gute Beobachterin.«
    » Ja, das kann man wohl so sagen«, brummte Max. »Und dennoch habe ich dich eingeladen.«
    » Bin ich dir zu nahe getreten?«
    Er blinzelte jungenhaft, als wolle er sagen: Noch nicht!
    »Ich bin erstaunt, wie gelassen du wirkst, Lena. Zumindest in deiner Ausstrahlung spürt man nichts von dem, was dich beschäftigt.«
    » Glaubst du, ich laufe Tag für Tag durch die Gegend und trauere?«
    » Nicht jeder geht zumindest äußerlich so gut mit einer Traumatisierung um.«
    » Sondern?«
    Der Zwiebelrostbraten kam. Er lag neben einer fein duftenden Sauce, mit einem Hügel gebratener Zwiebeln drauf, dazu Spätzle und Pommes , je nach Wunsch.
    Max schnitt das Fleisch an und nickte anerkennend, dann sagte er: »Es gibt Personen, die verzehren sich vor Furcht. Sie erschrecken, wenn ein Hund bellt oder etwas ähnliches Lapidares geschieht. Andere wiederum gehen zu Selbsthilfegruppen oder gründen eine. Hin und wieder taucht jemand in Talkshows auf, um der Opfer zu gedenken oder Geld für Opfer zu sammeln, die überlebt haben, aber danach vielleicht behindert sind.«
    » Und Lena Mora geht mit ihrem
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