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Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Titel: Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
Autoren: Sven Hannawald
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zugekriegt. War wie ein aufgedrehter Freak immer wieder durchs dunkle Hotelzimmer getigert. Dabei hätte ich doch Schlaf so dringend gebraucht, um regenerieren zu können. Um neue Energie zu gewinnen.
    Ich war leer. Meine Akkus waren ohne Saft. Es war mir alles zu viel geworden. Es war mir alles total egal. Bitte lasst es endlich vorbei sein, bitte erlöst mich, so dachte ich am Morgen dieses Tages in Bischofshofen, der dann am Nachmittag kurz vor vier diesen goldenen Glanz bekam.
    Dass ich geschafft habe, woran sich ganze Generationen von Skispringern die Zähne ausgebissen haben, machte mich unheimlich stolz. Ich hatte einen Mythos geknackt und alle vier Springen innerhalb einer Vierschanzentournee gewonnen.
    »Sven Hannawald hat Sporthistorie geschrieben! Er gehört jetzt dazu – zu den großen Olympiasiegern, Wimbledon-Champions und Tour de France-Gewinnern. Hut ab.« Frankfurter Allgemeine Zeitung
    »Svenomenal«, »Svensationell«
    Im improvisierten RTL-Fernsehstudio durfte ich dann ein ganz spezielles Fax vorlesen, das schon vor meinem letzten Sprung eingegangen war: »Lieber Sven Hannawald, mit 8 Sprüngen haben Sie Sportgeschichte geschrieben. Es war die Hannawald-Tournee. Sie wird immer mit Ihrem Namen verbunden bleiben. Ich gratuliere Ihnen von Herzen. Ihr Gerhard Schröder, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.«
    Anderntags titelten die Medien: »Sven Hannawald landet im Himmel« (Die Welt), »Flüge in die Unsterblichkeit« (Südwest Presse), »Historischer Hannawald mit dem Grand Slam des Skispringens«
(Le Figaro), »Mythos, Legende, Wahnsinn – Hannawald hat den Grand Slam« (Der Standard/Wien), »Svenomenal« (Berliner Morgenpost), »Svensationell« (B.Z.), »Eine neue Legende geboren«

(La Gazetta dello Sport/Italien), »Hannawald wird zum Superstar« (Focus).
    841 Tage später. Ich saß auf einer Bank im Park. Eine schöne Kulisse. Vögel, die zwitscherten. Blumen, die zaghaft zu blühen begannen. Bäume, die ihre ersten Blätter entwickelten. Die Aprilsonne, die ihre ersten warmen Strahlen schickte. Doch fühlte ich mich gefangen in einem grauen Schleier. Ich nahm die Blumen und die Bäume nicht wahr. Ich hörte keine Vögel zwitschern. Ich konnte mich nicht über die Sonne freuen, sie wärmte mich auch nicht.

    Siegerpose: Drei Dutzend Fotografen bestürmen mich, sie wollen den sporthistorischen Moment festhalten. Jetzt dämmert es mir allmählich, was ich da geschafft habe.
    Ich fröstelte. Meine Hände, meine Füße – sie waren ständig kalt. In mir war eine Unruhe, die ich manchmal sogar in Form von Panik erlebte. Alles fühlte sich unheimlich schwer an, mein Körper, meine Gedanken. Dabei war mein Körper völlig abgemagert und mein Kopf leer. Mir fielen die Haare aus. Ich spürte seit Wochen weder Hunger noch Appetit. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich fühlte mich elend. Lustlos. Traurig. Total schlapp. Verzweifelt. Vollkommen allein. Vollkommen hoffnungslos.
    Ich saß auf dieser Parkbank in Bad Grönenbach. Ich stierte vor mich hin. Ich war hier und ich war doch nicht da. Ich hatte mich verloren.
    Kurz vorher hatte ich auf einem Stuhl gehockt und Fragen zu meinen aktuellen Beschwerden, meinen Lebensumständen und meiner gesundheitlichen Vorgeschichte beantwortet. Was ich über meinen körperlichen und seelischen Zustand in den letzten Tagen, Wochen, Monaten sagen könnte. Wie ich meinen Alltag organisiert und erlebt hätte. Welche Medikamente ich nähme.
    Es war Nora Maasberg, die mit mir alles behutsam durchging. Sie drängte mich nicht. Ich antwortete, so gut ich konnte. Die Frau, die mir gegenübersaß, wirkte irgendwie wohltuend mütterlich auf mich. Sie war mir sofort sympathisch. Sie war leitende Ärztin der Privatstation für Burn-out-Erkrankte in Bad Grönenbach im Allgäu und führte mit mir eine systematische Befragung durch, die als Fachbegriff »Anamnese« heißt.

    Ich hatte mich verloren: vor der Klinik für Psychosomatische Medizin in Bad Grönenbach im Allgäu.
    »Beschwerdebild bei Aufnahme«
    Das, was sie über mich in diesem ersten Gespräch erfahren hatte, fasste sie in einem »Psychotherapiebericht« zusammen und tippte als »Beschwerdebild bei Aufnahme« in ihren Computer:
    »Herr H. kommt auf Empfehlung des Sportarztes in die stationäre Behandlung. Er suche Ruhe und Erholung, brauche Abstand von den Angehörigen und der Öffentlichkeit. Seit einem Jahr fühle er sich depressiv – nach einem intensiven Konditionstraining im Juli
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