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Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Titel: Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
Autoren: Sven Hannawald
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Sprünge hast du immer nur diese eine Chance.
    Gerade 12 Sekunden – 6 Sekunden Anlauf, 6 Sekunden Flug – in denen sich alles entscheidet. Nein, streng genommen sind es von diesen 6 Sekunden ja nur 0,3 Sekunden, von denen alles abhängt. Die Millisekunden, die für die komplizierte Phase des Absprungs bleiben. Monatelang, jahrelang, mein ganzes Leben lang hatte ich trainiert, um explosive Sprungkraft aufzubauen und das muskuläre Zusammenspiel in der alles entscheidenden Millisekunde perfekt abrufen zu können – keine Millisekunde zu früh und keine Millisekunde zu spät.
    Die Faszination des Skispringens
    Skispringen ist eines der kürzesten und heftigsten sportlichen Abenteuer. In 11, 12 Sekunden ist alles vorbei, von der Anfahrt zum Absprung bis zur Landung. Es sind nur 5, maximal 6 Sekunden, die der menschliche Körper durch die Lüfte segelt. Aber was sind das für Sekunden. Lange Sekunden, bange Sekunden, euphorische Sekunden. Ein Journalist fand dafür mal große Worte: »Berauschend wie eine bayerische Bauernhochzeit, beseeligend wie ein Bach-Konzert, beklemmend wie ein Hitchcock.«
    Wir Skispringer sind besessen. Wir sind alle nervös. Wir lieben diese Momente in der Luft. Sie sollen natürlich möglichst lang sein. Und wenn wir wieder gelandet sind, fällt uns allen eine schwere Last von der Seele. Die meisten haben kaum Worte für diese magischen Momente, diese Faszination des Skispringens. Vielleicht ein paar Gesten des Triumphes und einen Glücksschimmer in den Augen, wenn alles gut gegangen ist.
    Was macht den Reiz aus? Es kommt dem Fliegen nahe. Das Schwerelose in der Luft ist für mich so faszinierend. Du spürst die Schwerkraft nicht mehr und glaubst, du schwebst. Beim Skifliegen ist das noch geiler. Aber es ist immer eine Gratwanderung. Wenn es gut geht, ist es super, und wenn es nicht gut geht, kann es schlimme Konsequenzen haben.
    Der Mythos der Vierschanzentournee
    Es gibt in der Welt des Sports Grenzen, die sich im Laufe der Jahre zu Mythen auftürmen. Auch die Vierschanzentournee hatte ihren Mythos. In 49 Jahren war es noch keinem Athleten gelungen, alle vier Wettbewerbe zu gewinnen. Sieben Skispringer hatten immerhin schon bereits drei Siege im Gepäck, als sie nach Bischofshofen anreisten. Doch dann scheiterten sie an dem psychischen Druck, der Paul-Ausserleitner-Schanze oder einfach an einem Konkurrenten, der am letzten Tourneetag stärker war und den Vierfachtriumph kaputt machte. So war das zuletzt bei der Tournee 1997/1998 bei dem Japaner Kazuyoshi Funaki. Er hatte in Oberstdorf gewonnen, ebenso in Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck. In Bischofshofen musste er sich von einem Springer geschlagen geben. Von mir. Es wurde mein erster großer Sieg.
    Ich hatte vor neun Tagen das Springen in Oberstdorf gewonnen. Ich hatte am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen gewonnen. Und ich hatte in Innsbruck gewonnen. Hier in Bischofshofen lag ich nach dem ersten Durchgang in Führung, hatte mit meinem Sprung sogar einen neuen Schanzenrekord aufgestellt. 139 Meter. RTL-Kommentator Tom Bartels bejubelte die Leistung mit der Aufforderung: »Flieg den Sieg nach Hause, Sven Hannawald.«
    Im Countdown für dieses Sportereignis und schon die ganzen letzten Tage hatte der Fernsehsender RTL seine Zuschauer mit einem griffigen Slogan auf die brisante Konstellation und auf mich, die Hauptfigur in diesem spannenden Drama, heißgemacht: »Sprung für die Ewigkeit«.
    »Der Mythos wird immer stärker, je weniger Chancen ich noch habe. Die Tournee war bisher eine Knacknuss für mich.« Simon Ammann, vierfacher Olympiasieger
    Ich musste nur noch mein Zeug machen
    Jeder vor dem Fernseher und jeder an der Schanze in Bischofshofen wusste in diesem Moment, um was es ging. Auch ich wusste das natürlich. Aber ich wusste auch: In Bischofshofen kann ich – trotz des großen Vorsprungs – nicht auf Sicherheit springen. Das geht in die Hose. Ich wollte voll angreifen. Und ich hatte volles Vertrauen in meine Möglichkeiten. Ich wusste ja: Diese Schanze liegt mir.
    Ich musste jetzt nur noch mein Zeug machen. Nur noch einmal.»Mein Zeug machen« – wie oft hatte ich in den letzten Monaten und besonders in den letzten Tagen davon gesprochen. Und wie oft wurde dieser Satz in den Medien zitiert.
    Mein Zeug machen. Nichts weiter. Keine Ablenkungen zulassen. Mich nur auf mich konzentrieren. Den nächsten Sprung noch mal im Detail im Kopf durchspielen. Den Anlauf, die Anfahrtshocke. Der explosive Absprung. Das geile Gefühl
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