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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß
Autoren: Javier Marías
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machen, die sehr anstrengend sind und uns ein wenig entfremden. Ich werde keine Probleme haben mit meinen vier Sprachen und ein wenig Katalanisch, ich lerne es, um einen guten Eindruck zu machen, bei einer der Möglichkeiten müsste ich oft mit Barcelona telefonieren. Und viele Leute glauben, ich hätte wichtige Kontakte in den internationalen Organisationen und Umgang mit hohen Würdenträgern. Ich werde sie nicht enttäuschen, auch wenn sie im Irrtum sind. Dennoch behagt mir auch nicht unbedingt die Vorstellung, die ganze Zeit in Madrid zu bleiben und mit Luisa nach Hause zu kommen und auszugehen, statt sie zu besuchen oder zu empfangen, mit Zimmern und einem Fahrstuhl und einer Haustür, die beiden gehören, mit einem gemeinsamen Kopfkissen (es ist eine Redensart, es sind immer zwei), um das wir bisweilen im Schlaf werden kämpfen müssen und von dem aus wir, genau wie der Kranke, mit der Zeit die Welt sehen werden; ohne dass unsere Füße zögern auf dem nassen Pflaster, noch überlegen, noch ihre Meinung ändern, noch Reue empfinden, noch überhaupt eine Wahl treffen können: jetzt besteht kein Zweifel daran, dass wir uns nach dem Kino oder nach dem Abendessen an denselben Ort begeben, in dieselbe Richtung durch die halb leeren und stets gesprengten Straßen, ob wir es heute Abend wollen oder nicht, oder vielleicht war es gestern Abend, als sie es nicht wollte. So kam es mir einen Augenblick vor, aber wir gingen weiter. Wenn sich unsere Schritte gemeinsam demselben Ort zuwenden (und zur Unzeit erklingen, denn es sind jetzt vier Füße, die gehen), dann vermute ich dennoch, dass wir einer an den anderen denken, hauptsächlich, zumindest ich tue das. Ich glaube, dass wir trotz allem um nichts in der begehrten Welt tauschen würden, wir haben noch nicht die gegenseitige Aufhebung oder Vernichtung der Person gefordert, die jeder war und in die wir uns verliebt haben, wir haben nur den Personenstand geändert, und das scheint jetzt nicht so schwerwiegend oder unberechenbar zu sein: ich kann sagen
wir haben ein Klavier gekauft
oder
wir werden ein Klavier kaufen
oder
wir werden ein Kind haben
oder
wir haben eine Katze.
    Vor einigen Tagen habe ich mit Berta gesprochen, sie rief an, und wenn sie anruft, dann heißt das, dass sie ein bisschen traurig oder zu einsam ist. Ich werde nicht mehr so einfach eine Zeit lang bei ihr wohnen können, wenn ich meine Dolmetschertätigkeit ganz aufgebe, ich werde die dramatischen oder amüsanten Ereignisse und Anekdoten, die ich ihr immer erzählen möchte, sehr viel länger aufheben oder ihr Briefe schreiben müssen, das haben wir selten getan. Ich fragte sie nach ›Bill‹, es dauerte einige Sekunden, bis sie sich erinnerte oder ihn identifizierte, er war ihr schon ferngerückt, er hatte New York verlassen, glaubte sie, und war noch nicht zurückgekehrt. »Wo ich jetzt daran denke«, sagte sie, »es kann sein, dass er irgendwann in diesen Tagen auftaucht.« Ich erfuhr, dass sie nichts mehr von ihm gehört hatte, seitdem wir ihn in ein Taxi steigen sahen, ich von der Straße aus, sie von ihrem Fenster aus. Aber es ist möglich, dass er wieder auftaucht, mit gutem Grund, wenn er Guillermo ist. Berta macht weiter mit ihren Kontakten über Anzeigen, sie hat noch nicht kapituliert und sich nicht zurückgezogen, sie sagte mir, sie sei jetzt an zwei Individuen interessiert, die sie noch nicht kennengelernt habe, ›J von H‹ und ›Truman‹ ihre Initialen beziehungsweise ihr Beiname. Sie wurde munter, als sie von ihnen sprach, es klang liebevoll, wie es die Frauen sind, wenn sie eine Hoffnung nähren und nicht wir diese Hoffnung auslösen und sie nicht uns betrifft, sondern uns nur übermittelt wird; aber während wir sprachen, stellte ich sie mir in einem dieser Augenblicke vor, in denen der Halbmond ihrer rechten Wange, ihre Narbe, sich verdunkelte, bis sie blau oder dunkelviolett wurde und mich glauben machte, sie habe einen Fleck. Vielleicht, dachte ich (und ich dachte es, um es abzuwenden), würde ein Tag kommen, da sie kapitulieren und sich zurückziehen und der Halbmond ständig eine dieser beiden Farben haben würde. Berta ihr Name, › BSA ‹ ihre Initialen, die Wange immer beschmutzt.
    Custardoy habe ich bislang nicht wiedergesehen, ich weiß, dass ich ihm auch künftig ab und zu begegnen werde, fast immer, vermute ich, über meinen Vater, und wenn er nicht mehr da ist, es gibt Präsenzen, die uns mit Unterbrechungen seit der Kindheit begleiten und sich nie entfernen. Er wird
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