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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod
Autoren: Peter James
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alte Tochter durchzubringen hatten. Er hatte nicht vor, ihr diese Gelegenheit einzuräumen.
    Er ließ fünf Tage verstreichen, bis der Scheck eingelöst war, dann ging er zur Bank und hob die gesamte Summe in bar ab.
    Spät am selben Abend fuhr er zu der Straße, in der Barry Gatts Witwe mit ihren inzwischen drei Jahre alten Drillingen wohnte. Damit sie ihn nicht bemerkte, wenn sie aus einem Fenster sah, parkte er in sicherer Entfernung. Erleichtert stellte er fest, dass in ihrem kleinen Haus kein Licht brannte.
    Er schob das Geld in einem Umschlag durch den Briefschlitz, dann kehrte er zu seinem Wagen zurück.
    Auf dem Nachhauseweg ließ er das Autoradio ausgeschaltet und lauschte stattdessen der Melodie in seinem Kopf. Es war ein alter Bob-Dylan-Song, und während er so fuhr und bei offenem Fenster den Text sang und der Fahrtwind ihm ins Gesicht blies, fiel ihm ein Stein vom Herzen, den der Wind davonwehte.

[home]
    108
    I n dem kleinen Zimmer für Dauerpatienten in der Station für Patienten mit Verbrennungen des East Grinstead Hospital blickte Faith auf die Krankenschwester, dann wieder auf die Gestalt im Bett. Als sie zum ersten Mal hier gewesen war, war es ihr schwer gefallen, sie anzusehen.
    Aus dem schiefen Schlitz in dem schuppigen violetten Narbengewebe zwischen den Resten seiner Nase und seinem Kinn drang ein langes, leises Stöhnen. Dann wieder der saugende, wässrige Laut des Einatmens, gefolgt vom langen, langsamen Röcheln beim Ausatmen.
    Die Arme gehoben, die Fäuste geballt wie ein Boxer, lag er auf dem Rücken. Ein Fremder hätte meinen können, dass es sich um irgendeine groteske Trotzhandlung gegen sein Leiden handelte, doch die Schwester in der Abteilung für plastische Chirurgie des Krankenhauses hatte Faith erklärt, dass dem nicht so sei. Es handle sich vielmehr um eine Erscheinung bei Patienten mit schweren Verbrennungen, bekannt als Boxer-Haltung, bei der aufgrund der Verkürzung der Beugemuskeln, verursacht durch das Schrumpfen der Haut und des Muskelgewebes durch die Hitzeeinwirkung, die Gliedmaßen dauerhaft gekrümmt blieben.
    Normalerweise sah man die Boxer-Haltung eher bei Leichen, die aus einem Brand geborgen worden waren; bei einem Opfer, das überlebt hatte, war sie ungewöhnlich. Doch Ross Ransome war ein seltener Fall, und sein Überlebenswille hatte alle verblüfft. Nur wenige Menschen, mit Ausnahme von Kleinkindern, überlebten Verbrennungen von 60 Prozent der Hautoberfläche. Dennoch lebte Ross nun schon seit zwei Jahren, obwohl er Verbrennungen von beinahe 70 Prozent erlitten hatte. Wenn man das, dachte Faith, überhaupt »leben« nennen konnte.
    Mit ihrer Einwilligung als engste Angehörige waren drei Monate nach jenem Tag im Juni, als er von Cheltenham mit Verbrennungen zweiten und dritten Grades hierher verlegt worden war, alle Maschinen, die das Leben verlängern konnten, abgestellt worden. Fast an seinem ganzen Oberkörper, an den Armen, den Beinen und dem Kopf bestand die Haut aus Narbengewebe. Zudem hatte er schwere Schädigungen an den inneren Organen und Luftwegen davongetragen, vor allem an den Nieren, und, was bei weitem am schwersten wog, am Gehirn. Die Haare waren ihm ausgegangen, und er war erblindet, doch EEG -Tests zeigten, dass er immer noch über ein gewisses Hörvermögen verfügte.
    Statt schwächer zu werden und allmählich zu sterben, wie die Ärzte gehofft hatten, schien sein Puls paradoxerweise Monat um Monat ein wenig kräftiger zu werden. Niemand wusste, ob er bei diesem Zustand seines Gehirns überhaupt Schmerzen empfand, doch weil er alle paar Stunden stöhnte, bekam er Morphium-Infusionen.
    Teile seines Körpers lagen unter Verbänden. In den letzten beiden Jahren hatte er sich einer endlosen Folge von Transplantationen unterziehen müssen, und seine ehemaligen Kollegen hatten einen ständigen Kampf gegen jene Areale seiner Haut ausgefochten, die aufgrund geschädigter Durchblutung abstarben.
    Faith wusste nicht genau, warum sie gekommen war. Das Krankenhaus behauptete, er habe ihren Namen gerufen, so als wolle er ihr dringend etwas sagen, doch der Gedanke, ihn zu sehen, hatte ihr Angst gemacht. Er besaß immer noch Macht über sie, die Macht, in ihren Träumen zu erscheinen und sie zu ängstigen, ihre Gedanken im Wachzustand zu überschatten.
    Und sie hatte die Beweise gesehen, die man bezüglich einiger seiner Patienten gegen ihn gesammelt hatte, auch wenn es nicht wahrscheinlich erschien, dass er je vor Gericht gestellt werden würde. In den
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