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Mein bestes Stuck

Mein bestes Stuck

Titel: Mein bestes Stuck
Autoren: Hepburn Lucy
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Simon hatte scheinbar andere Vorstellungen von der gemeinsamen Fahrt.
    »Du siehst gut aus«, sagte er und sah sie von der Seite
an. Ruhig lenkte er den Oldtimer auf die Autobahn, die sie zum Château Deschanel führen würde.
    »Ich sehe grauenhaft aus«, erwiderte sie und starrte aus dem Fenster. Sie hatte keinesfalls untertrieben. Schon lange vor dem Tod ihres Vaters hatten sich tiefdunkle Ringe unter ihren Augen abgezeichnet, und sie hatte den leisen Verdacht, dass die Furchen auf ihrer Stirn zu Anfang des Jahres noch nicht da gewesen waren. Doch auch das war ihr im Moment egal.
    Simon atmete hörbar aus. »Nein, tust du nicht. Aber du bist sicher erschöpft …«
    »Ja, Simon, das bin ich«, antwortete sie, sehr viel schnippischer, als sie es beabsichtigt hatte. Warum konnte er ihre Hinweise nicht einfach verstehen und schlicht und ergreifend seiner Aufgabe nachgehen? Immerhin war das Fahren sein Job. Und zuvor war es der Job seines Vaters gewesen.
    Die altbekannte goldene Landschaft mit ihren versengten Feldern zog an ihnen vorüber und eine Weile fuhren sie schweigend weiter. Wie um alles in der Welt sollte sie ihrem Bruder Luc klarmachen, dass sie es fertiggebracht hatte, das Testament ihres Vaters zu verlieren? Er hatte sie um eine lausige Kleinigkeit gebeten, die sie in Paris erledigen sollte, ehe sie zur Beerdigung zurück zum Château kam – sie hatte nur das Testament bei dem Pariser Familienanwalt abholen sollen. Und wie immer hatte sie es geschafft, auch diese Aufgabe in den Sand zu setzen.
    Bei dem Gedanken an ihre Heimkehr nach Château Deschanel zog sich ihr Magen zusammen. Es war einfach zu schrecklich – die Vorstellung, die Auffahrt zum Schloss
hochzufahren, ihren Bruder, der bis zum Schluss am Sterbebett ihres Vaters gesessen und anschließend alle nötigen Vorkehrungen getroffen hatte, zu umarmen, ihn, der sich schon immer um alles gekümmert hatte. Es tat einfach zu weh.
    Eleonore warf Simon verstohlen einen Blick von der Seite zu. Sie waren zusammen aufgewachsen, und soweit sie wusste, war Simon auch heute noch Lucs bester Freund. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ihren unfassbaren Fauxpas beichten sollte.
    Sie holte tief Luft und sah ihn an, als auch er ansetzte, etwas zu sagen.
    »Ich hoffe …«, begann er.
    »Simon, ich …«, sagte sie just im selben Moment, ehe sie beide wieder innehielten. Beschämt drehte Eleonore sich zur Seite.
    »Was wolltest du sagen?«, fragte er zögernd.
    »Nichts. Gar nichts«, antwortete sie so unbeteiligt wie möglich.
    Sie spürte Erleichterung, dass sie Simon nichts von ihrem Missgeschick erzählt hatte. Es wäre der falsche Weg gewesen, mit dem Problem umzugehen. Aber wie zum Teufel sollte sie es anpacken?
    »Ich wollte dir nur sagen«, fuhr Simon fort, »wenn du irgendetwas brauchst, egal was, bitte zögere nicht, mich zu fragen, okay?«
    »Danke schön«, antwortete sie und lächelte schwach.
    »Es tut mir immer noch so leid, dass ich vor zwei Jahren nicht zur Beerdigung deiner Mutter kommen konnte, Eleonore …«

    »Schon gut!« Sie wollte einfach nur, dass er den Mund hielt. Immerhin waren sie ja keine engen Freunde. Zumindest nicht mehr so wie damals, als sie Kinder waren. Das schien ein völlig anderes Leben gewesen zu sein.
    »Ich war damals auf Geschäftsreise, und ich bekam die Nachricht erst, als ich auf dem Weingut in Neuseeland angekommen war.«
    »Ist schon in Ordnung, wirklich!« Eleonore hörte ihm kaum zu. Ein plötzlicher Geistesblitz hob ihre Laune mit einem Mal, und ihre Augen glitzerten freudig.
    »Die Zeit war einfach zu knapp, einen Rückflug zu buchen. Hast du die Blumen bekommen, die ich geschickt habe? Und den Brief?«
    »Welchen Brief? Nein, ich glaube nicht … Oder doch! Warte, ja natürlich, vielen Dank, Simon. Das war sehr nett.« Eleonore hatte keinen Schimmer, wovon er sprach … Obwohl, ja, da war ein Brief gewesen … Ach, wie auch immer. Das war jetzt völlig unwichtig. Ja, sie würde es tun! Sie wandte sich erneut Simon zu und fragte mit weicher, zugleich jedoch entschlossener Stimme: »Simon, würdest du mich bitte zu dem Appartement in Nizza bringen?«
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte, würdest du mich bitte zu dem Appartement in Nizza bringen? Jetzt gleich?«
    Simon sah verwirrt aus. »Musst du dort etwas abholen?«
    »Nein«, entgegnete sie kühl. »Du musst mich nur dort absetzen.«
    »Aber Luc wartet doch im Château auf dich!«
    Eleonores Herz raste. »Das geht schon in Ordnung. Würdest du einfach tun,
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