Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
Tischreihen, stellte die Ladung ab und wünschte »gutes Gelingen«.
    Hinter uns schlug einer mit der flachen Hand auf den Tisch und schrie: »Leute, stellt euch mal vor, ‘ne Frau ganz aus Bier. Stellt euch das mal vor! Das war ‘ne Frau! Stellt euch das mal vor.«
    Er seufzte und sackte seinem Nachbarn gegen die Schulter.
    Slibulsky und ich sprachen nur so Sachen wie »nicht schlecht, das Bier«, »mhm, gar nicht schlecht«.
    Die Jungs nebenan waren inzwischen dabei, den Saal nach etwas abzusuchen, über das man, nach ihren Worten, ›mal rüberrutschen könnte‹. Ein dünner mit schlechten Zähnen und kurzem verschwitztem Haar patschte mir auf die Schulter »guck mal, Kumpel, die da! Bombenbiene. Und sone Möpse!«
    Der neben mir brüllte: »Mensch Charly, ist doch ‘n Türke! Türken wollen doch nur Weiber mit ‘nem riesen Arsch. Kein Kopf, keine Beine, nur Arsch, verstehste? So groß!«
    Ich sagte dem einen, er könne mal ganz schnell seine Pfoten wegnehmen, und den anderen forderte ich auf, mit mir vor die Tür zu kommen. Er war ein stämmiger Typ mit viereckiger Kinnlade und blondem, krausem Haar, sein buntes Hemd war so ziemlich bis zwischen die Beine aufgeknöpft. Die Jungs starrten ihn gespannt an. Er erhob sich langsam. Als zwei andere es ihm nachtun wollten, winkte er ab. »Laß man, regel ich solo.«
    Ich bat Slibulsky zu zahlen, wir würden danach gehen. Vor der Tür war der Blonde eine Sekunde unschlüssig, was jetzt genau passieren sollte. Ich nutzte das, schlug ihm sofort einmal fest aufs viereckige Kinn, so daß sich die Sache hatte. Er strauchelte, fiel und blieb liegen. Kurz danach kam Slibulsky, und wir stiefelten zum Wagen. Ich war müde. Wir fuhren los, und nach hundert Metern fing ich an zu schnarchen.
    In Höhe Hauptbahnhof weckte mich eine Polizeisirene, und ich bat Slibulsky anzuhalten. Ich suchte meine Beine zusammen, torkelte in den Reiseshop, kaufte eine Flasche Chivas und torkelte zurück. Slibulsky betrachtete mißmutig den Whisky und meinte: »So schnell gibst Du nicht auf, was?«
    Ich schüttelte den Kopf und war schon wieder eingeschlafen.
    Schließlich standen wir vor meiner Wohnung. Slibulsky hing im Sitz. Er sprach mit leiser, rauher Stimme. »Du bist nicht der schlechteste Kerl auf der Welt, Kayankaya.«
    »Mhm«, stimmte ich ihm zu und stieg aus. Er brauste davon. Ich schlurfte durch den Regen in Richtung Haus Nummer sieben. Den Chivas trug ich mit beiden Händen vor mir her. Plötzlich löste sich ein Schatten aus der Einfahrt.
    »Ich suche Sie schon den ganzen Tag. Und vor zwei Stunden hat Kommissar Kessler selbst in der Redaktion angerufen und erklärt, unsere Mandanten seien mehr oder weniger unschuldig. Der fünfte Mann, ein gewisser Kollek, hat die vier nur benutzt, um die Polizei hinters Licht zu führen. Stellen Sie sich das mal vor!«
    Carla Reedermann gestikulierte aufgeregt. Dann musterte sie mich mitfühlend. »Es tut mir leid für Sie. Sie haben sich so bemüht. Und die Idee mit dem Spitzel war ja auch nicht schlecht, aber… Auf jeden Fall bin ich gekommen, um Ihnen das zu sagen, damit Sie es nicht aus der Zeitung erfahren. Außerdem möchte Anastas sich bei Ihnen entschuldigen. Er gibt zu, gestern etwas… ruppig gewesen zu sein.« Sie lächelte liebenswürdig.
    Erst grinste ich und dann lachte ich los, lachte wie blöde, ohne mich beruhigen zu können.
    »Ich verstehe nicht…«
    »Das macht nichts, Schätzchen. Dafür verstehst Du ja sonst allerhand.«
    Sie trippelte unschlüssig übers Pflaster und murmelte dann: »Nur, wer Anastas überfallen hat, bleibt ein Rätsel.«
    Ich versuchte mir eine Zigarette anzuzünden, aber der Regen spülte die Glut immer wieder weg, und so ließ ich es bleiben.
    »Na, Kollek, zum Beispiel, vielleicht zusammen mit Kessler, oder vielleicht mit dem Oberbürgermeister, oder mit mir… oder war’s der liebe Gott?«
    Ihre Haare und ihr Mantel waren klatschnaß. Das sah sehr hübsch aus, auch wenn sie jetzt wütend loszeterte.
    »Was wollen Sie eigentlich?! Zuerst tun Sie so, als interessiere Sie alles überhaupt nicht, dann markieren Sie den wilden Mann, der auf Teufel komm raus hinter der Sache her ist, und jetzt ist Ihnen wieder alles egal.«
    Ich warf die Arme hoch.
    »Was ich will? Ich will Bier. Mehr Bier! Viel mehr Bier!«
    Dann schob ich mich an ihr vorbei und wankte den Bürgersteig hinunter. Auf halbem Weg holte sie mich ein, sagte »Entschuldigung« und fragte, ob sie mit zu mir kommen könne.
    Einen Augenblick lang
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher