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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier
Autoren: Jakob Arjouni
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setzte sich in den Sessel mir gegenüber. Lübars rutschte hinter den Schreibtisch, nahm seine Brille und faltete die Hände.
    »Nun, ich hoffe, daß wir die Angelegenheit so schnell wie möglich klären können, denn sowohl ich als auch Herr Kessler haben einen anstrengenden Arbeitstag hinter uns.« Beide nickten sich zu.
    Wie groß wohl die Macht Kesslers in diesem Apparat sein mochte. Vielleicht war es seine Freundschaft zu OB.
    »Also, Herr Kayankaya, Sie haben mir am Telefon erklärt, Sie könnten mir einen Mörder präsentieren.« Er hüstelte, sah kurz zu Kessler. »Aber das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.«
    Mit unbeweglichem Gesicht sagte Kessler: »Der junge Kollege nimmt den Mund manchmal etwas voll. Das bringt ihm viel Ärger ein.« Bei ›Ärger‹ sah er ausnahmsweise nicht mich, sondern Lübars an. Der lächelte gequält. »Erläutern Sie doch mal Ihren Verdacht, Herr Kayankaya.« Dann nahm er sich ein Herz und meinte zu Kessler: »Denn irgendwas muß doch dran sein, sonst hätten Sie sich nicht freiwillig hierher bemüht, Herr Kommissar.«
    Der Kommissar machte eine Großzügigkeit andeutende Handbewegung und brummte väterlich: »Ich dachte mir, es ist besser, so eine Sache schnell vor höherer Instanz aus der Welt zu schaffen. Damit der junge Kollege wieder auf den Boden der Realität kommt.«
    Lübars nickte kurz und sah auffordernd zu mir. Ich räusperte mich und versuchte die Gedanken zu ordnen. Ich war in einer lausigen Situation, und daß ich es wußte, machte die Sache nicht einfacher. Vor drei Stunden hatte ich ein Bombenblatt gehabt, mit Kollek als Trumpf, der alles stach. Und jetzt saß ich mit einem Haufen Luschen da und mußte ausspielen. Also sagte ich auf alle Fälle mal Re, damit die anderen nicht Contra gaben. »Kessler, Sie haben verloren, und das wissen Sie. Und damit Herr Staatsanwalt Lübars mir in Ruhe zuhören kann, halten Sie bitte in der nächsten halben Stunde den Mund.«
    Kessler machte ein verblüfftes Gesicht und sah Lübars an.
    »Muß ich mir das…«
    »Bitte, Herr Kayankaya, fangen Sie an!«
    Lübars suchte wie verzweifelt auf seinem Schreibtisch herum und gab sich alle Mühe, weder mich noch Kessler anzuschauen. Die Flecken im Gesicht waren jetzt von einem tiefen Bordeauxrot. Ich fing an. Ich erzählte von Anastas, dem mysteriösen fünften Mann, der eiskalten Witwe, von Schmidi, und so weiter, bis zu meiner Theorie von der Mordnacht.
    Kessler saß mit einem dünnen Lächeln unbeteiligt im Sessel, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Ab und zu kratzte er sich den Handrücken. Lübars schien wie versunken, nur seine Augen flitzten rastlos zwischen uns beiden hin und her. Jetzt horchte er auf. »Insgesamt waren also fünf Leute an dem Anschlag beteiligt?«
    »Wenn man es genau nimmt, sechs. Was mich stutzig gemacht hat, waren die Zeugenaussagen der Frau vom Camper und der alten Frau Böllig, die die Trinkhalle der Firma führt. Beide haben die Knallerei gehört und bestätigt, daß die Schüsse auf Böllig vor der Sprengung fielen. Dagegen stand die Behauptung von Barbara Böllig, ihr Mann sei erst auf Grund der Sprengung aus dem Haus gelaufen. Wenn man davon ausgeht, daß Kolleks Partner kein Interesse daran hatten, Böllig umzulegen, und Kollek unmöglich kurz vor dem Anschlag noch ins Haus spurten konnte, um Böllig in die Fabrik zu führen und abzuknallen, bleibt nur eine Möglichkeit: Barbara Böllig selbst hat, unter welchem Vorwand auch immer, ihren Mann aus dem Haus gelockt und nicht weit vom Rohr erschossen.«
    »Wenn man davon ausgeht!« sagte Kessler.
    Ich wiederholte, er solle den Mund halten. Lübars nahm den Kugelschreiber, auf dem er herumgekaut hatte, aus dem Mund und fragte: »Warum sollte Barbara Böllig ihren Mann erschießen?«
    Also spulte ich die Geschichte von Oliver Böllig ab und wie lange das alles schon gärte. Dabei fiel mir Kliensmann ein, der immer noch verschnürt in seinem Büro lag. Sollte er. Am Ende sagte ich: »Es gibt einen Zeugen für meine Version. Der Nachtwächter hat eine Menge gesehen und wurde von Barbara Böllig und Kollek für fünfzigtausend Mark gekauft. Damit stromert er inzwischen durch Paraguay.«
    Und mit Blick auf Kessler fügte ich hinzu: »Wie Kommissar Kessler zu erzählen wußte.«
    Kessler betrachtete seine Fingernägel und bemerkte leichthin: »Fred Scheigel ist als Zeuge zum Prozeß geladen. Weil er außer Landes wollte, mußte er eine Genehmigung einholen. Und zufällig weiß ich von dieser
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