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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier
Autoren: Jakob Arjouni
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Er muß ein paar Minuten bei ihm gesessen haben, denn als er sich umdrehte, stand dieser Henry hinter ihm. Anscheinend ohne Waffe, sonst hätte er Fred auch über den Haufen geschossen. Im selben Moment ging der Sprengsatz hoch. Er versicherte Fred, wenn er den Mund hielte, bekäme er so viel Geld, um für immer von hier verschwinden zu können. Jemand hätte ihn niedergeschlagen, sollte er sagen, dann lief er weg. Kurz darauf kam Barbara Böllig, und als auch ihr klar war, daß Fred was gesehen hatte, redete sie wie er auf ihn ein und versprach einen Haufen Geld.«
    Sie hob seufzend die Schultern.
    »Fred fand Friedrich Bölligs Tod nicht weiter bedauerlich, außerdem sah er die Möglichkeit, mit dem Geld endlich von hier wegzukommen. Und schließlich nahm ihm der Kommissar die Version, ohne Verdacht zu schöpfen, ab.«
    »Und der Kommissar hieß Kessler?« Sie nickte. Ich klatschte in die Hände.
    »Klasse! Der Mann ist einfach Klasse!«
    Nina Scheigel schaute fragend. Ich winkte ab: »Sie haben damals auch Otto Böllig umgebracht. Ebenfalls mit Arsen. Endlich, hatten Sie gedacht, hätten Sie Ihre Ruhe mit Friedrich.«
    Sie lächelte.
    »Das ist so lange her. Wen interessiert das noch?«
    Sie hatte Recht, und mir war es im Grunde auch egal. Ich ging auf und ab und versuchte, den Kopf klar zu bekommen.
    »Nach Henry haben Sie mir meine einzige Zeugin umgebracht.«
    Sie verstand wieder nicht, und ich winkte wieder ab. Und dann, mit Blick auf die Leiche: »Ich habe Ihnen eine Flasche Wodka von Nikolei mitgebracht.«
    »Sie sind ein merkwürdiger junger Mann.«
    »Warum haben Sie das gemacht?« sagte ich mehr zu mir selbst, und dann etwas zu laut: »Ich muß Sie mitnehmen.«
    Sie räusperte sich und fragte: »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?«
    »Mhm?«
    »Lassen Sie mich meinen Koffer fertig packen und allein zur Polizei gehen. Alleine, verstehen Sie? Ich möchte nicht abgeführt werden.«
    Ich nickte und ging zur Tür.
    »Von mir aus können Sie sich auch davon machen. Jetzt ist das ohnehin gleich.«
    Sie lachte traurig.
    »Wo soll ich denn hin? Nein, nein. Schicken Sie mir die Flasche Wodka ins Gefängnis, wenn Sie mir eine Freude machen wollen. Ob ich dort oder hier trinke, so groß kann der Unterschied nicht sein.«
    Ich biß mir auf die Lippen.
    »Leben Sie wohl, Frau Kaszmarek.«
    »Leben! Machen Sie sich nicht lustig über mich, junger Mann.«
    Die Kerzen beleuchteten ihr Gesicht. Eine alte, geschminkte Straßenkatze. Ihre grünen Augen lächelten.
    Ich zog die Tür hinter mir zu und stieg langsam die Treppe hinunter. Auf halbem Weg kamen mir die Frauen vom Haus entgegen und bestürmten mich, ob ich etwas über Biblis wüßte. Ich ging weiter. Auf der Straße hielt ich mein Gesicht in den Regen, die kalten Tropfen taten gut.

6
    Als wir vor der Tür der Staatsanwaltschaft standen, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Kollek und Barbara Böllig waren tot, und wenn Kessler auf seiner Version bestand, von Tuten und Blasen keine Ahnung gehabt zu haben, blieb mir als Beweis nur sein Kalender. Und das war ein bißchen wenig.
    Kessler wußte das und lächelte gefährlich.
    »Die Schläge von vorhin, die werden Sie noch bereuen, Kayankaya!«
    »Ich bereue, daß ich Sie nicht kaltgemacht habe.« Slibulsky hatte es vorgezogen, im Wagen auf mich zu warten. Er kenne genug Haftrichter.
    Es war kurz vor zehn. Widerwillig hatte Lübars zugestimmt, so spät ins Büro zu kommen. Ich kannte ihn gut, und er mochte mich ganz gerne, was das auch immer heißen mag. In erster Linie war er Staatsanwalt. Als er dann den Namen Kessler am Telefon hörte, hatte er seine Zusage bereut.
    Endlich kam er angetrabt, flüchtig gekämmt, und ohne Krawatte. Er war mittelgroß, aufgeschwemmt und hatte rote Flecken im Gesicht. Mit der Ledertasche in der einen und dem Schlüsselbund in der anderen Hand begrüßte er uns. »Guten Abend… guten Abend, Herr Kessler. Sie entschuldigen meine Aufmachung. Aber ich nahm an, ich hätte Feierabend…«
    Kessler lachte beipflichtend.
    »Ja, ja, auch ich hätte mir was Angenehmeres vorstellen können, aber…«
    Er warf mir einen vernichtenden Blick zu. Wir traten in Lübars Büro. Ein üppiger Schreibtisch und zwei Besuchersessel. Während ich mich in den einen setzte, fragte Kessler: »Sagen Sie, Herr Lübars, wie geht es Ihrer Frau? Ich habe gehört, sie ist krank?«
    Bei ›krank‹ sah er mich an und bleckte die Zähne.
    »Danke, danke, es geht ihr schon wieder besser. Nehmen Sie doch Platz.«
    Kessler
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