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Mehr als nur Traeume

Titel: Mehr als nur Traeume
Autoren: Jude Deveraux
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hinter dem Mädchen schloß, drehte sich Dougless um und berührte Kits steinernes Gesicht. Sie wünschte, sie wäre so klug gewesen, einen Schraubenzieher oder sogar eine kleine Brechstange zur Besichtigungstour mitzubringen. Sie zog und zerrte an dem Gesicht und war schon versucht, ihre Bemühungen aufzugeben, als sich der Stein unter ihrer Hand bewegte.
    Sie brach ein paar Fingernägel ab und schürfte sich die Haut von den Knöcheln, aber endlich gelang es ihr, das Relief, das Kits Gesicht darstellte, vom Kragstein abzuziehen.
    Ein langes Stück Stein ragte aus der Hinterseite des gemeißelten Gesichts heraus, das genau in eine Aushöhlung des Kragsteins paßte.
    Sich auf die Zehenspitzen stellend, schaut Dougless in diese Vertiefung hinein. Dort lag ein in ein Tuch eingeschlagener Gegenstand. Rasch nahm sie das Päckchen heraus, schob es in ihre Tasche, befestigte das Gesicht wieder an seiner alten Stelle und kletterte vom Schrank herunter. Sie hatte nicht die Zeit, den Stuhl wieder vom Schrank wegzurücken, und huschte aus dem Zimmer.
    Es gelang ihr, sich ihrer Besichtigungstour wieder anzuschließen, als die Gruppe sich im letzten Zimmer befand.
    »Und hier sehen Sie eine Ausstellung von im Hause angefertigten Spitzen«, sagte die Fremdenführerin soeben. »Die meisten stammen aus der Zeit Königin Viktorias, aber wir haben hier ein paar besonders herrliche Stücke aus dem sechzehnten Jahrhundert.«
    Dougless war nun wieder ganz Ohr.
    »Obwohl Lord Nicholas Stafford nicht geheiratet hat, scheint eine geheimnisvolle Frau eine Rolle in seinem Leben gespielt zu haben. Auf seinem Totenbett bat er darum, mit dieser Spitze beerdigt zu werden, aber es kamen so viele Leute zu seinem Begräbnis, daß man bei dem Andrang vergaß, die Spitze in seinen Sarg zu legen, und so wurde Lord Nicholas ohne diese Spitze in seiner Gruft beigesetzt. Sein Sohn James ordnete an, daß die Spitze immer einen Ehrenplatz in der Familie bekommen solle, da sie seinem geliebten Vater so viel bedeutete.«
    Dougless mußte warten, bis die anderen Touristen weitergegangen waren, ehe sie die Vitrine betrachten konnte. Dort lag unter Glas, inzwischen vergilbt, die Spitzenmanschette, die Honoria für sie angefertigt hatte mit dem eingestickten Namen »Dougless«.
    »Dougless?« meinte ein Tourist lachend. »Vielleicht hat der alte Nick nicht geheiratet, weil er ein bißchen« - er bewegte wegwerfend die Hand -, »na, Sie wissen schon.«
    Dougless sprach, ehe sich der Fremdenführer zu Wort melden konnte: »Zu Ihrer Information - im sechzehnten Jahrhundert war Dougless ein Frauenname, und ich kann Ihnen versichern, daß Nicholas keineswegs ein bißchen« - sie funkelte den Touristen wütend an -, »na, Sie wissen schon.« Dann stürmte sie an ihm vorbei aus dem Schloß.
    Sie ging in die Gärten hinter dem Gebäude, und während die anderen Touristen sich entzückt über deren Schönheit äußerten, dachte Dougless bei sich, daß die Gärten vernachlässigt, ja, verwildert aussähen. Sie suchte sich eine stille Ecke, nahm dort auf einer Bank Platz und holte das Päckchen aus der Tasche.
    Das Miniaturporträt von Nicholas kam ans Licht, so hell und farbig wie an dem Tag, als es gemalt worden war. »Nicholas«, flüsterte sie und legte ihre Fingerspitzen auf das kleine Gemälde. »O Nicholas, habe ich dich wirklich so total verloren? Bist du nun für immer von mir gegangen?«
    Sie blickte die Miniatur an, berührte sie, und als sie das Porträt umdrehte, sah sie etwas auf der Rückseite eingraviert. Sie hielte es ins Licht und las
    Die Zeit hat keine Bedeutung 
    Die Liebe wird sie überdauern
    Er hatte die zwei Zeilen mit einem »N« signiert, über dem ein »D« schwebte.
    Dougless lehnte den Kopf gegen die alte Steinmauer und wischte sich verstohlen ein paar Tränen ab. »Nicholas, komm zurück zu mir«, flüsterte sie. »Bitte, komm zu mir zurück.«
    Sie saß lange auf dieser Bank. Als sie wieder aufstand, war die Lunchzeit längst vorüber, aber sie ging nun in die Teestube des Schlosses und bestellte dort eine Platte mit Hörnchen, eine Kanne mit starkem schwarzem Tee und ein Kännchen Milch dazu. Sie hatte den Katalog von Bellwood und einen von Thornwyck gekauft, und während sie aß und trank, las sie darin.
    Nach jedem Wort, das sie las, sagte sie sich, daß das, was sie damals erreicht hatte, es wert gewesen war, den Mann zu verlieren, den sie liebte. Was hatte die Liebe zwischen zwei Menschen schon zu bedeuten, wenn sie für den Preis
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