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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer
Autoren: Ann Eriksson
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verlagerte und veränderte sich stetig, ein Tier schlug nie den gleichen Ton an wie die anderen. Die unheimliche Musik drang durch den Spalt herein und sickerte in Trevors gefrorene Knochen. Er kauerte sich in den Sitz, schloss die Augen und driftete mit den Lauten davon.

    Das alte Männchen traf sich mit seinem Weibchen am Nordwestrand des alten Flussbetts. Heute Nacht begrüßte sie ihn freudig, lag auf ihrem Bauch und schlängelte sich unter seiner Nase vor und zurück. Sie leckte sein Maul und drehte sich um, stupste dabei mit ihrer Lende gegen seinen Körper. Er roch an ihrem Schwanz, und als sie sich daraufhin, statt nach ihm zu schnappen, in Positur setzte, bestieg er sie von hinten, bis sie vereinigt waren, und hob dann seinen Hinterlauf über ihren Rücken, sodass sie Schwanz an Schwanz standen. Zwanzig Minuten lang blieb das Paar ineinander verschlungen, dann wurde der eheliche Bund gelöst, und sie trennten sich voneinander.
    Seite an Seite rannten die beiden über die Gipfel der Schlucht, horchten, ob sie Mäuse unter der Oberfläche hörten. Heute Nacht gab es Nager in Massen, und jedes Eintauchen in den Schnee wurde belohnt mit einem Maul voller sich windender Nahrung. Das Männchen setzte sich nieder, hob seine schlanke Schnauze in den Himmel und stieß einen schwärmerischen Heulton aus. Das Weibchen lauschte, dann antwortete sie, eine Tonlage tiefer. Als er seine Stimme senkte, um ebenso zu klingen wie sie, ging sie sofort eine ganze Oktave höher ins Falsett. Das Paar atmete ein Duett hinaus in die Nacht, eine Oktave höher, eine niedriger. Eine uralte Verkündigung an die Welt.

    »Trevor?« Erschrocken wachte er auf, dachte, die Tiere würden seinen Namen rufen. Vielleicht litt er jetzt wirklich an akuter Unterkühlung, oder aber die ägyptische Gottheit Anubis mit dem Hundekopf war gekommen, um ihn in den Tod zu geleiten. Mit trägem und schwerem Arm wischte er den Beschlag und eine Ecke Eis, die sich gebildet hatte, vom Fenster und presste die Augen gegen das am Rand vereiste Glas. Er konnte nur den Schnee wehen sehen. Dann trat aus dem Strudel eine Erscheinung — mit wehendem Haar, mit wilden Augen, mit offener Jacke. »Trevor!« Angela schrie seinen Namen und rannte dabei durch die Nacht.

    Die Hitze des Eintopfs floss langsam durch Trevors Magen in seine Glieder. Der Holzofen pumpte Wärme in den Raum, obwohl der Schnee in winzigen weißen Wolken durch die Lücken zwischen den Holzblöcken der Wände hereinfegte. »Das ist gut«, sagte er.
    »Ist Eingemachtes.« Angela legte auf der anderen Seite des Tisches die Ellbogen auf die Tischplatte und sah Trevor beim Essen zu. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Das war dumm von mir, dich wieder da rauszuschicken. Heute Nacht hat kein halbwegs denkender Mensch da draußen was verloren.«
    Einen vollen Löffel auf halbem Weg zum Mund, hielt er inne. »Wow, danke.«
    »Nein, ich meinte damit nicht...« Sie setzte sich aufrecht hin. Verwirrung machte sich auf ihren Zügen breit. »Schon gut.« Sie stand auf, ging zum Ofen, um ein weiteres Holzscheit aufzulegen, und lief dann in gerader Linie zwischen dem Westfenster und dem Tisch auf und ab. »Diese Kojoten waren echt seltsam, so nah am Truck«, fügte sie hinzu. Trevor aß seine Suppe auf, während er sie die ganze Zeit dabei beobachtete, wie sie nervös auf und ab ging.
    »Bin ich eine Art Carlos für dich?«, fragte er schließlich.
    »Was?« Sie hörte auf, sich wie ein Metronom hin- und herzubewegen, blieb stehen und sah ihn fest an. Dann kämpfte sie gegen ein Grinsen. »Du hast vielleicht das dicke Fell und ebenfalls vier Gliedmaßen, aber die wachsamen Augen hast du nicht.«
    Er lachte, und es fühlte sich an, als lache er zum ersten Mal seit vielen Tagen. »Nein, ich meine...«
    Sie setzte sich hin und starrte auf den Fußboden. »Ich weiß, was du meinst.«
    »Helen hat mir in den Fotoalben die...«
    »Die Verbrecherkartei gezeigt?«
    Er nickte.
    Geistesabwesend hob sie mit dem Finger die Umschlagseite eines der Bücher auf dem Tisch, schloss es wieder, öffnete es erneut. »Ich habe Mandanten, die so traurige Geschichten haben wie du.«
    »Wirklich?«
    »Einer hat eine, die sich kaum von deiner unterscheidet.«
    »Was heißt das?«
    »Eltern jung verloren, keine Großeltern, schwere Kindheit«, sagte sie und sah ihm dabei fest in die Augen. »Er raubt Banken aus und bringt Leute um. Man kann ihm nicht trauen.«
    »Du traust mir nicht?«, fragte Trevor.
    Angela antwortete nicht.
    »Dann sag
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