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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer
Autoren: Ann Eriksson
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Fischer.
    Er hat mir gesagt, es sei ein Ort, an dem alles möglich ist.

    Alles Liebe,
    Constance

    P.S.: Passen Sie mir gut auf diese nette Angela auf, mein lieber Junge. Ja?

Vancouver Island
    Sommer 1989

    Trevor fröstelte trotz der warmen Augustsonne und der Lagen von signalrotem Nylon und Neopren, die ihn vom Kopf bis zu den Zehenspitzen umhüllten. Am Ende des Holzstegs schaukelte ein Schlauchboot an seinen Befestigungsleinen im Wasser auf und nieder. Der Kapitän, Baxter, legte am Armaturenbrett Schalter um und drehte an Knöpfen, während der Seefunkdienst über das Funkgerät die Wettervorhersage für die nächsten vierundzwanzig Stunden hinausplärrte.
    »Fertig?« Baxter drehte sich zu Trevor um. Das sich brechende Licht in der mit Spiegelglas beschichteten Sonnenbrille des Mannes versetzte Trevors Magen in Aufruhr.
    Trevor holte tief Luft. Er hatte noch nie in seinem Leben einen Fuß auf ein Boot gesetzt. Er zog Flugzeuge vor und hatte mit Freuden die hundertfünfundzwanzig Dollar für den zwanzigminütigen Flug von Vancouver nach Vancouver Island locker gemacht, um die Fahrt mit der Fähre über die Straße von Georgia zu vermeiden. Er war ein Präriejunge. Boote waren etwas Unnatürliches. Dieses hier war mit seinen knapp sechs Metern Länge sittenwidrig.
    »Glauben Sie wirklich, dass das sicher ist?«, fragte Trevor.
    Der Kapitän, der den gleichen signalroten Überlebensanzug trug wie Trevor, sagte kein einziges Wort, hob lediglich die Brauen und wies auf die ruhige Wasseroberfläche der Bucht, mit nach oben gewandter Handfläche, um das Offensichtliche noch zu unterstreichen. Im Wasser spiegelten sich die Fischdampfer, die am Kai vor Anker lagen, und die felsige Küste, die den Hafen von Ucluelet umsäumte. Es war noch nicht sechs Uhr morgens. Ein Schwarm von Sportangelbooten, von denen die meisten kleiner waren als Baxters gewerblicher Whale Watcher, hatten die geschützte Bucht bereits verlassen und waren auf dem offenen Ozean.
    Er streckte Trevor seine Hand entgegen. »Sie wollen doch dahin, oder nicht? Einen besseren Tag hätten Sie sich gar nicht aussuchen können«, sagte er. »Es wird ruhig sein am Riff.«
    Trevor begutachtete mit Argwohn die gepolsterten Sitzbänke, die für zwanzig oder mehr Touristen gedacht waren, die langen luftgefüllten Schläuche und die beiden Außenbordmotoren mit jeweils hundert Pferdestärken, die am Heck im Leerlauf rotierten. Er rüttelte die Tasche an seiner Hand und spürte das Gewicht der Vitamindose aus Plastik. Wie Constance es wollte. Angela und Helen hatten ihn überzeugt: Constance hatte viel zu lange auf dem Bücherregal im Wohnzimmer gewartet. Dreieinhalb Jahre. Er hatte die Absicht gehabt, ihre Wünsche früher zu erfüllen, doch schien immer etwas dazwischenzukommen. Aussaat, Bewässerung, Ernte. Maschinen mussten repariert, Tiere versorgt werden. Die Hochzeit, die unten im alten Flussbett stattgefunden hatte. Und natürlich die Geburt des kleinen Bo, inzwischen zwei Jahre alt. Es war an der Zeit, ihr ihre Freiheit zu schenken. Was hatte die alte Frau darüber gesagt, dass man dem Universum vertrauen musste? Er legte den Kopf zurück, um in den wolkenlosen Himmel zu blicken und eine Bitte nach oben zu richten, gleichgültig, was oder wer es war, das oder der sie erhielt. Baxters fester Handgriff geleitete ihn auf das Boot.
    Trevor setzte sich auf den mittleren Sitz — in die Mitte des mittleren Sitzes — und presste die Tasche mit der Asche fest gegen seinen Körper. Baxter lotste das Schlauchboot durch die engen Fahrrinnen des Hafens, durch die schmale Einfahrt, die mit Bojen markiert war, hinaus aufs offene Meer. Baxter hatte recht. Das Wasser war so glatt wie Glas; nicht einmal sachter Wellengang erreichte die Küste. Das Boot durchschnitt die silberglänzende Oberfläche. Wellen fauchten um den Bug, der sie in zwei gleich große Hälften zerteilte; schaumiges Kielwasser sprudelte hinterher.
    Trevor fixierte seinen Blick auf einen Punkt geradeaus, in Richtung Japan, er spürte warm die Sonne auf seinem Rücken. Acht Kilometer. Das war es, was Baxter am Telefon gesagt hatte. Acht Kilometer geradeaus von der Küste weg bis zur La Perousse Bank, einem tiefen Unterwasserriff, das, wie Baxter erklärt hatte, wegen Tiefenströmungen reich an Leben war. Etwa eine Stunde, um hin- und wieder zurückzugelangen. »Hängt vom Wetter ab und davon, ob Nebel herrscht und wie viel Zeit Sie benötigen.« Eine Stunde hatte sich nicht lang angehört, nicht vor
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