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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau
Autoren: Camilla Läckberg
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Schreiben nie gesehen. Die Geschichte war schon lange in ihm gewesen. Irgendwann musste er sie zu Papier bringen. Was er damit über die Gesellschaft sagen wollte? Darüber hatte er noch nie nachgedacht.
    Gaby rettete ihn schließlich. Sie brachte die anderen Journalisten in einem Trupp zu ihm. Während sie sich begrüßten und Platz nahmen, schaltete Birger Jansson sein Aufnahmegerät aus. Christian nutzte die Zeit, um sich zu sammeln.
    Gaby zog die Aufmerksamkeit auf sich.
    Â»Herzlich willkommen zu diesem Treffen mit dem neuen Stern am Autorenhimmel, Christian Thydell. Wir alle vom Verlag sind ungeheuer stolz, seinen Roman Die Meerjungfrau veröffentlichen zu dürfen, und glauben, dass er der Beginn einer großartigen Schriftstellerkarriere ist. Da Christian noch keine Rezensionen zu Gesicht bekommen hat, ist es mir ein irrsinniges Vergnügen, ihm mitzuteilen, dass er heute glänzende Kritiken im Svenska Dagbladet, in Dagens Nyheter und im Arbetarbladet bekommen hat, um nur einige zu erwähnen. Du hast bestimmt nichts dagegen, wenn ich ein paar ausgewählte Passagen vorlese.«
    Sie setzte die Brille auf und nahm einen Stapel Kopien vom Tisch. Einige Stellen waren rosa markiert.
    Â»Das Svenska Dagbladet schreibt: Hier schildert ein Sprachvirtuose die Verletzlichkeit des Einzelnen, ohne das große Ganze aus dem Blick zu verlieren. « Gaby nickte Christian zu und blätterte weiter. » Christian Thydell zu lesen ist nicht nur ein Genuss, sondern ist auch schmerzhaft, weil er mit seiner aufs Wesentliche reduzierten Prosa ein Schlaglicht auf die falschen Versprechungen von Sicherheit und Demokratie in unserer Gesellschaft wirft. Wie ein scharfes Messer bohren sich seine Worte ins Fleisch und ins Gewissen und zwingen dazu, fieberhaft weiterzulesen, wie ein Fakir den quälenden, aber reinigenden Schmerz zu suchen. Das war Dagens Nyheter .« Gaby nahm die Brille ab und reichte Christian den Stapel.
    Ungläubig griff er danach. Er hörte die Worte und genoss das überschäumende Lob, aber wenn er ehrlich war, begriff er überhaupt nicht, was die Kritiker meinten. Er hatte doch nur die Geschichte der Meerjungfrau erzählt, hatte sich alles von der Seele geschrieben. Seitdem war er vollkommen leer. Über die Gesellschaft hatte er nichts zu sagen. Nur über sie.
    Er behielt seine Meinung für sich. Niemand würde ihn verstehen, und vielleicht musste es so sein. Er hätte es niemals erklären können.
    Â»Das ist ja phantastisch.« Seine Worte klangen so hohl, dass sie beinahe schepperten.
    Weitere Fragen folgten. Noch mehr Anerkennung und neue Interpretationen. Er hatte das Gefühl, nicht eine einzige Frage vernünftig beantworten zu können. Wie formulierte man etwas, das einen vollkommen ausfüllte? Beim Schreiben war es ihm nicht nur um eine gute Geschichte, sondern ums nackte Überleben gegangen. Um Schmerz. Er hielt sich tapfer. Bemühte sich, klare und kluge Erklärungen abzugeben. Offenbar gelang ihm das auch, denn hin und wieder warf Gaby ihm anerkennende Blicke zu.
    Als das Interview überstanden war, wollte Christian am liebsten nach Hause, weil er so leer war, er musste jedoch in dem schönen Speisesaal im Stora Hotel ausharren. Seufzend stellte er sich darauf ein, auf die Gäste zuzugehen, die bereits hereinströmten. Niemand machte sich eine Vorstellung davon, wie viel Kraft ihn sein Lächeln kostete.
    Â»Würdest du heute Abend bitte die Finger vom Alkohol lassen?«, zischte Erik Lind seiner Frau so leise zu, dass die anderen Gäste in der Schlange vor dem Eingang ihn nicht hören konnten.
    Â»Wenn du heute Abend deine Finger von den anderen Frauen lässt«, antwortete Louise in Zimmerlautstärke.
    Â»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Und sprich bitte etwas leiser.«
    Louise warf ihrem Mann einen eisigen Blick zu. Sie konnte nicht leugnen, dass er gut aussah. Vor langer Zeit hatte das Eindruck auf sie gemacht. Als sie sich im Studium kennenlernten, beneideten viele Kommilitoninnen sie darum, dass sie sich Erik geangelt hatte, doch seitdem hatte er ihre Liebe, ihren Respekt und ihr Vertrauen langsam, aber sicher weggevögelt. Nicht mit ihr, ach wo. Außerhalb des ehelichen Schlafzimmers hatte er da viel weniger Schwierigkeiten.
    Â»Ihr auch hier? Wie schön!« Cecilia Jonsdotter kämpfte sich zu ihnen durch und küsste beide auf die Wange. Sie war Louises Friseurin und seit einem
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