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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand
Autoren: Sabine Friedrich
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Haus war längst fertig. Es war fertig mit ihm, wartete nun auf Gabriel Phillips: seinen Besitzer.
    Roberts besten Freund. Gabriel war vor wer weiß wieviel Jahren mit der US-Army nach Deutschland gekommen. Überglücklich, dem Puritanismus seiner neuenglischen Heimat entflohen zu sein, hatte er eine Deutsche geheiratet, um in München bleiben zu können, hatte bayrisch gelernt, sich einen Dackel zugelegt, war schließlich reich geworden mit seiner Werbefirma,
    Hör zu, Robby. Ich habe da dieses Haus in den Staaten gekauft. Ein verrücktes Ding, aber mit Atmosphäre, ein großartiges Ferienhaus, es muß natürlich völlig renoviert werden, ach red keinen Unsinn! Ich will dir nicht helfen. Du hilfst mir, wenn du dich um das Haus kümmerst, eine Hand wäscht die andere, du kannst über Boston fliegen oder über New York, sag mal, Robert, was redest du da? Du bist mein bester Freund, okay, aber glaubst du im Ernst, ich hätte für zigtausend Dollar ein Haus gekauft, nur damit du diese Schlampe vergißt,
    Er hatte Gabriel so über Natalie reden lassen. Hatte den Auftrag angenommen, abgewickelt, was tat er noch hier?
    Ich will bloß noch mal nach dem Rechten sehen, Gabriel. Die Heizung überprüfen jetzt im Winter, natürlich komme ich diesmal selbst für die Kosten auf,
    Gabriel Phillips hatte gelacht. Hatte Robert den Schlüsselbund zugeworfen, quer durchs Büro, über die Köpfe seiner Mitarbeiter hinweg: die an Bistrotischchen standen und Weihnachten feierten,
    Viel Spaß, Robby! Und sei unbedingt am 31. in New York auf dem Times Square,
    Aber am 31. war Robert in München gewesen, bei Natalie. War mit Natalie zum Essen gegangen, danach in eine Kneipe, er war nicht geflogen. War noch nicht geflogen: erst fast zwei Monate später. Erst nach der Sache mit Natalies Verbrennung, Robert stieß die Tür auf.
    Ein Schwall eisiger Luft drang herein, er trat auf das Deck hinaus. Die Nacht war leblos vor Kälte. Er würde nach Provincetown fahren. Nach P’town, wie die Einheimischen sagten: Pie-Taun, er würde zu Napi’s gehen und etwas trinken, vielleicht etwas essen. Vielleicht ein paarWorte mit Jeremy reden: dem Schwulen, der den Zen-Shop in der Commercial Street hatte, er war allein.
    Natalie war allein. Auf der anderen Seite des Meeres ging sie hin, her, hin, her, so gingen sie: jeder für sich, durch leere Zimmer, konnte er sie noch einmal anrufen? Es ihr erklären, sagen: Ich hätte sterben können! Ich hätte erfrieren können dort oben im Gebirge,
    Sie würde antworten, Warum hast du das getan? Wie konntest du nur dein Leben riskieren, um eine Fremde zu retten?
    Die Trauer überwältigte ihn.
    Und welche Kultur war es doch, in der man für ein Leben, das man gerettet hatte, fortan verantwortlich war? Auf immer für jedes Verbrechen geradestehen mußte, das der Gerettete beging, ihn aus jeder Notlage befreien mußte: weil man sich eingemischt, eigenmächtig ein Leben verlängert hatte, das für die Götter bereits beendet war, Robert wandte sich dem Haus zu: Aber hier gab es keine Nachschlagewerke.
    In diesem Haus gab es keine Bücher, keine Vasen, Fotografien, nur die leeren Regale. Sein Waschzeug, seine drei Zeitschriften verloren auf Metern und Metern leerer Regale, vielleicht konnte er mit ihr leben, wenn er nichts dabei fühlte?
    Natalies blasses, stilles Gesicht neben ihm im Auto. Zuerst hatte er nicht bemerkt, was sie tat. Dann hatte er zu ihr hinübergesehen, sie drückte eine Zigarette an ihren Arm. Brannte sich ein Loch in den Arm, hatte die Zigarette so lange an ihr Handgelenk gehalten, bis man es riechen konnte und er sie schlug,
    Warum hast du das getan, verdammt noch mal! Warum, Natalie, wie kannst du so etwas tun,
    Weil ich wissen wollte, was ich noch fühle! Ob ich überhaupt noch etwas fühle, warum erträgst du mich, Robert? Warum machst du das mit,
    Aber er hatte es ja nicht ertragen. War abgehauen, hier hergekommen, ertrug nun auch Gabriels Haus nicht mehr: sein Haus. Seine eigene Arbeit, hatte also doch wieder Julia angerufen, war losgefahren zu ihr in den Schnee, in den richtigen Moment hinein: so daß die Eisprinzessin ihr Leben in Wahrheit Natalie zu verdanken hatte. Der Brandwunde Natalies: also dem anderen, nicht ihm, Robert Brauer, schnappte er über? Wurde er langsam verrückt?
    Er ging zurück ins Haus. Schloß die Glastür hinter sich, rief am Bostoner Flughafen an: All night counter, buchte den Rückflug für den nächsten Tag. Packte, legte sich dann ins Bett: mit schmerzenden
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