Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand
Autoren: Sabine Friedrich
Vom Netzwerk:
einen winzigen Moment lang, daß Jacques ablehnen würde, Jacques stieß einen Freudenschrei aus. Sina ließ den Kopf in den Nacken zurücksinken wie nach einer großen Anspannung, dies war also der richtige Weg. Natürlich hatte Jacques keinen Cent. Robert hörte seine Mutter sagen: Man heiratet immer die Familie mit. Mußte grinsen, ein wenig schmerzlich vielleicht, später rief er in seiner Wohnung an: Aber Natalie war nicht da.
    War nie da, war vielleicht ausgezogen, Sina rief Dr. Mathai an. Rief Dorothy Benning an,
    »Sie hat uns eingeladen! Ich habe gesagt, ich besuche sie, sobald wir zurückkommen«,
    Das Krankenhaus schickte eine Rechnung. An Sina Fischer: die nun ja wußte, wer sie war,
    »Das ist kein Problem. Ich habe ja eine Versicherung. Eine Auslandsreise-Krankenversicherung, was täten wir nur ohne Versicherungen «,
    Ihr Gelächter war ein bißchen hysterisch. Würde sie je darüber hinwegkommen? Im Haus leerten sich allmählich die Regale.
    Die Meter und Meter gefüllter Regale, sie besorgten Taschen, zusätzliche Koffer. Besorgten Tickets, John hatte alles in die Wege geleitet: Sie konnten ausreisen.
    Mußten nun sogar ausreisen, zählten die Tage herunter bis zum Tag Null: elf Tage zehn Tage neun Tage acht.
    Sie sagte zu Jacques: »Ich weiß immer noch nicht, wie Freddy aussieht. «
    Sagte, »Es ist doch verrückt. Wenn er ein Taxifahrer wäre, würde ich bei ihm einsteigen. Wenn er der Milchmann wäre, würde ich seine Milch trinken, nur du kannst ihn erkennen. Nur du kannst sagen: Das ist er, da drüben. Nur du kannst mich warnen, wenn er zurückkommt.«
    Jacques sah sie an, von der Seite. Legte den Arm um sie, schüttelte den Kopf,
    »Aber Sina. Warum sollte er denn zurückkommen, er hat doch gar keinen Grund dazu. Er weiß doch gar nicht, wo du bist, außerdem sind wir ja bald in Deutschland. In Deutschland kann er dich bestimmt nicht finden«,
    Sina schwieg.
    Ging jeden Tag stundenlang am Strand entlang. Ging allein, ohne stützende Hand: war monatelang nicht zum Alleinsein in der Lage gewesen. Brauchte es nun, das Alleinsein: vor dem sie panische Angst hatte, hinter jedem Busch, jeder Hausecke lauerte Freddy. Sie ging den Strand hinunter bis dahin, wo die Häuser aufhörten. Marschierte gegen die Angst an. War entschlossen zu gehen und weiterzugehen, bis die Angst aufhörte, sie trug keine Strümpfe.
    War offensichtlich unempfänglich für Lebenslehren.
    Zog den einzig möglichen Schluß nicht: Laufe nie ohne Strümpfe herum, ein Strumpf hätte dir vielleicht deine Zehen gerettet, der Kinderglaube war endgültig verloren: an magische Ringe, Drachenblut. An Zauberstrümpfe, daran, gefeit sein zu können gegen das Böse, so also war das: Sie würde sich mit der Angst einrichten müssen. Würde ihr ein Apartment möblieren, es ihr gemütlich machen müssen in ihrem Kopf, was passiert war, konnte jederzeit wieder passieren. Weit Schlimmeres war mühelos denkbar, auch ohne Freddys Mitwirkung, ihr Leben war immer gefährdet gewesen.
    War gestaltbar und vielleicht eben deshalb gefährdet, was würde sie mit ihrem zweiten Leben anfangen? Vorerst ging sie. Spürte den Rhythmus der Schritte wie den eines Tanzes. Ballte dann wieder die Fäuste, atmete stöhnend an gegen die erneut aufwallende Angst: Dies hier, das Gehen, konnte ihr jederzeit wieder genommen werden. Sie zwang sich, weiterzumarschieren. Sich nicht umzudrehen: nicht schreiend zurückzurennen zu Jacques und Robert, Robert stand oben auf dem Dach.
    Stand auf dem Widow’s Walk, sah ihr nach: einer kleinen Figur, die sich immer weiter von ihm entfernte, den Strand hinab.
    Dann saß er mit Jacques auf den Stufen der Stiege. Sie saßen in der Abendsonne, Maurice grub im Sand, und wurden Robert und Jacques nun allmählich Freunde? War wenigstens die Grundvoraussetzung gegeben: daß man dem anderen die Unannehmlichkeiten verzieh, die er einem mit seiner Existenz bereitete, Jacques sagte,
    »Weißt du was, Robert? Manchmal habe ich ganz schön Schiß. Ich meine, was machen wir denn zum Beispiel, wenn ich nicht dableiben darf? Ich darf doch bestimmt nicht bleiben, in Deutschland«,
    Robert lehnte sich zurück. Sagte,
    »Wer weiß, wie lange wir überhaupt bleiben. Ich will ja Johns Haus umbauen und das nebenan, jetzt fliegen wir erst einmal hin. Und vielleicht hat ja Gabriel eine Idee. Der ist schließlich in Deutschland geblieben«,
    »Ja«, sagte Jacques.
    Kaute auf einem Nagel herum. Sagte dann,
    »Ich kann ja jedenfalls immer jonglieren. Man
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher