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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter
Autoren: Chris P. Rolls
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Wasserkocher in Gang. „Tee?“ Leon nickte und nahm an dem kleinen Tisch Platz, der neben dem Fenster stand. „Tee ist okay.“
    „Ich laufe die immer rasch durch und je nach Strecke benutzte ich andere“, erklärte Kai seine Schuhsammlung, zog eine Packung mit Teebeuteln aus der Schublade und stellte sie vor Leon. Unter der Jacke trug dieser einen schwarzen Fleecepullover und ein graues T-Shirt. Kai konnte nicht umhin, seinen Geruch einzuatmen, als er an ihm vorbei zum Tisch trat und sein Müsli zu sich heranzog. Ein leichter Duft nach Heu und Ammoniak. Äußerst interessant, befand Kai. Er bemerkte, dass Leon ihn verstohlen musterte, den Blick jedoch sofort abwandte, als er aufsah. Stattdessen schaute Leon argwöhnisch auf Kais Frühstück.
    „Was ist das denn?“ Leon deutete pikiert auf ein Glas mit einer dicklichen, beigegrauen Flüssigkeit. Kai grinste, nahm es hoch und trank einen tiefen Zug. Leon beäugte ihn mit gelindem Entsetzen. Betont genießerisch leckte sich Kai die Reste der Flüssigkeit von den Lippen und grinste Leon breit an. „Das ist ein Proteinshake. Solltest du auch mal probieren. Gibt so richtig Haare auf der Brust und ordentlich Muskeln.“ Leon zuckte zusammen, sein angedeutetes Lächeln verschwand sofort und er spannte sich an. „Nein danke. Lass mal.“ Er senkte den Blick. „Ich warte lieber auf den Tee.“ Seine Stimme war leise geworden. Kai stutzte. Hab ich ihn gerade unwissentlich verunsichert? Aber was hab ich denn gesagt?
    „Schmeckt gar nicht so schlecht, wenn man sich dran gewöhnt hat“, versuchte er die Stimmung aufzulockern, aber Leons Blick blieb gesenkt. Er schaute zu dem Wasserkocher hinüber, dessen Geräusche darauf schließen ließen, dass das Wasser gleich kochen würde. Rasch erhob er sich. „Tassen sind da links im Schrank“, erklärte ihm Kai und rätselte noch immer, warum Leon derart verkrampft reagiert hatte. Weil ich der „Schwule“ bin? Hat er gedacht, ich würde ihn anbaggern? Aber das habe ich doch nicht getan. Ich halte mich definitiv zurück. Oder wegen der Bemerkung mit den Muskeln und Haaren auf der Brust? Das war doch nur ein Scherz.  
    Während er sein Müsli aß, beobachtete er Leon, der sich seinen Tee machte. „Hast du gar keine Schule?“, lenkte Kai das Gespräch in eine andere Richtung. „Es sind gerade Ferien“, erklärte Leon. „Und die darf ich diesmal damit verbringen, Kartons und Möbel zu schleppen. Meine Oma zieht ins Altenheim um und ich wurde verdonnert, den Möbelpacker zu spielen.“ Er seufzte theatralisch und seine Augen blitzten unter den Fransen hervor. „Ah, deshalb musst du in den Ferien auch so früh raus. Oder nur wegen mir?“ Die meisten jungen Männer, inklusive Kai selbst, wären in den Ferien kaum vor 11 Uhr aus den Federn gekommen. Leon grinste und probierte vorsichtig den heißen Tee.
    „Nee“, meinte er gedehnt. „Bei uns geht es immer früh los. Ich habe heute schon Pferde gefüttert und gemistet. Das mache ich sonst auch immer vor der Schule.“ Der letzte Löffel Müsli verschwand und Kai zog sich seinen Proteinshake heran. „In echt? Vor der Schule?
    „Um 5 Uhr morgens geht es bei uns los. Die Viecher haben schließlich Hunger, und seit mein Bruder in der Lehre ist, ist es für alle mehr Arbeit.“ Täuschte sich Kai, oder lag dabei ein winziger Schatten von Unmut auf Leons Gesicht? Aber der Moment ging zu schnell vorüber, als dass er sich sicher sein konnte.
    „Also ein echter Frühaufsteher“, stellte er fest und grinste Leon an. „Wenn es draußen nicht so eisig kalt wäre, wäre ich auch schon laufen gewesen. Morgens geht es immer am besten.“ Seufzend stand Kai auf, um die Müslischale und das Glas in den Geschirrspüler einzuräumen, während er ergänzte: „Dieser beschissene Winter bringt mein ganzes Training durcheinander. Der Plan da ist nichts mehr wert.“ Er deutete auf seinen Trainingsplan. Leon zog das Stück Papier interessiert zu sich heran. „Du betreibst das ganz schön ernsthaft, oder?“ Schulterzuckend trat Kai an ihn heran und sah über die Schulter auf den Plan. „Bin schon ewig dabei“, meinte er. „Als Jugendlicher bin ich schon Wettkämpfe gelaufen. Meinen ersten Marathon habe ich mit fünfzehn gemacht, den ersten Ultra mit siebzehn, da war ich einer der Jüngsten. Und seit sechs Jahren noch Triathlon. Ist mein Spleen.“ Er grinste und fing einen bewundernden Blick Leons auf. In Kais Körper kribbelte es und sein Herz meinte, erneut freudig hüpfen zu
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