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Mayday

Mayday

Titel: Mayday
Autoren: Thomas H. Block , Nelson DeMille
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selbst anbieten können, ohne mich darum bitten zu lassen. Und Jennifer hätte erreichen können, daß die Kinder die Prüfungen bei anderer Gelegenheit nachholen dürfen; sie hätte drei Martinis trinken und herfliegen können. Meine 72jährige Mutter, die gesundheitlich nicht auf der Höhe ist, wollte unbedingt kommen.« Er machte eine nachdenkliche Pause. »Jennifer hat wie erwartet angefangen … tiefe Besorgnis … schrecklicher Schmerz. Aber schon nach zehn Minuten habe ich wieder die alte Leier gehört.« Berry riß eine weitere Handvoll Gras aus und ließ sie davonfliegen. »Ein paar Monate lang wäre alles anders … Wir würden auf Cocktailpartys und in Country Clubs die Runde machen, und ich müßte überall eine Zeitlang auftreten. Dann wäre der Reiz des Neuen erschöpft …«
    Sharon Crandall griff nach seiner Hand. »Was möchtest du am liebsten?«
    Er spürte den Druck ihrer Hand und erwiderte ihn. »Das ist mir selbst noch nicht klar. Aber ich will ein paar Wochen hierbleiben, bis ich Klarheit gewonnen habe. Ich überlege manchmal, ob ich Berufspilot werden soll. Das wollte ich als junger Mann werden. Aber nachdem ich geheiratet hatte … na ja, für die Verkehrsfliegerei bin ich natürlich nicht mehr jung genug.«
    »Für einen Piloten gibt’s auch andere Jobs. Daß du fliegen kannst, dürfte außer Zweifel stehen.«
    »Richtig.« Berry lachte. »Zweifelhaft ist nur, ob ich landen kann.«
    Sharon setzte sich auf. »Du mußt doch nicht wieder ins Krankenhaus zurück?«
    »Nein, ich bin entlassen. Ich nehme mir wahrscheinlich ein Zimmer im Mark.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Bleib bei mir. Ich habe eine Wohnung in North Beach.«
    Er sah schweigend zum Himmel auf. Ein Flugzeug flog über sie hinweg, eine Straton 797, die über der Stadt zur Landung auf dem Flughafen einschwebte. Beide sahen sie, ohne sich dazu zu äußern. John Berry dachte an die Wochen und Monate, die vor ihnen lagen. Ermittlungen, Gerichtsverfahren, Zeugenaussagen, Interviews und Fernsehauftritte. Sharon und er würden in nächster Zeit von Reportern verfolgt werden, ob es ihnen paßte oder nicht. »Nein, das würde einen falschen Eindruck erwecken. Für uns gibt’s kein Privatleben mehr – zumindest vorerst nicht. Ich habe vorhin eine halbe Stunde gebraucht, um die Reporter abzuschütteln.«
    Sie ließ seine Hand los und stand auf. »Ich muß Linda zurückbringen.« Sie schlüpfte in ihre Schuhe und hob den Strohhut auf.
    Berry stand verlegen neben ihr. »Du weißt genau, daß ich’s gern täte … Für dich ist’s einfacher …«
    »Warum? Weil ich weniger zu verlieren habe? Du hast nichts zu verlieren. Mein Gott, warum willst du freiwillig in dein altes Gefängnis zurück?« Sie sah zu ihm auf. »Woran hast du bei der Landung gedacht? Und später, als du gesehen hast, wie die Überlebenden abtransportiert worden sind? Was hast du dabei gedacht? Daß du’s kaum noch erwarten konntest, nach Hause und an die Arbeit zu kommen? Willst du das etwa behaupten?«
    »Nein.«
    »Hör zu John, ich bin kein religiöser Mensch, aber ich finde, daß Gott dir … uns … eine Gelegenheit geschenkt hat, die … ich meine, wir sollen doch irgendeinen Gewinn aus dieser Sache ziehen, nicht wahr? Ist die Tatsache, daß wir gerettet worden sind, nicht irgendwie bedeutsam? Das habe ich von Anfang an so empfunden. Sobald ich aus dem Küchenaufzug getreten bin, habe ich gewußt, daß sich für mich alles grundlegend ändern würde, falls ich überleben sollte.« Sie starrte ihn einige Sekunden lang an, bevor sie sich abwandte und nach Linda rief: »Wir müssen gehen, Schatz!« Sharon drehte sich wieder nach ihm um. »Wahrscheinlich treffen wir uns morgen irgendwo. Tut mir leid, John, wenn ich dich in eine schwierige Situation bringe, aber ich … ich hab’ dich gern. Sogar sehr gern. Und ich merke, daß du unglücklich bist.« Sie beobachtete Linda, die den Abhang herauflief. »Ich denke oft an die Freunde, die bei diesem Flug verunglückt sind. Dabei fällt mir immer wieder Captain Stuart ein. Er war ein guter Mann. Nüchtern, gewissenhaft, zuverlässig. Du erinnerst mich an ihn. Auch er hat familiäre Probleme gehabt, die er nicht lösen konnte. Jetzt braucht er sie nicht mehr zu lösen. Aber du mußt sie irgendwie lösen. Tu, was du willst, John – aber mach nicht einfach dort weiter, wo du aufgehört hast!«
    Berry dachte kurz an die Menschen, die er zurückgebracht hatte, die Überlebenden, die für den Rest ihrer Tage dahinvegetieren
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