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Mayday

Mayday

Titel: Mayday
Autoren: Thomas H. Block , Nelson DeMille
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Seelen seiner Mitmenschen lesen, hatte einen forschenden Blick in die Psyche von Commander Sloan geworfen und war über das Gesehene erschrocken.
    Der Signalmaat drehte sich um. »Commander Sloan.« Er zeigte auf einen Funkfernschreiber.
    Sloan trat an die Maschine und riß ein eben eingegangenes Fernschreiben von der Rolle ab. »Erfreuliche Nachrichten, Admiral.« Hennings zog den schwarzen Vorhang zu und drehte sich nach ihm um.
    »Unsere Elemente sind in Position«, fuhr Sloan fort, nachdem er das Fernschreiben überflogen hatte. »Die F-18 und die C130 haben die befohlenen Sektoren erreicht. Jetzt brauchen wir nur noch die Startbestätigung.« Er sah auf die Countdownuhr. Fünf Minuten.
    Hennings nickte. »Ausgezeichnet.«
    Sloan dachte zum letztenmal an die nicht zustande gekomme-ne Verbindung mit San Diego. Wäre dieser Versuch nicht geheim gewesen, hätte eine Verzögerung nicht vermutlich eine Verschiebung bedeutet, wäre damit keine Schwächung des amerikanischen Potentials für den Ernstfall verbunden gewesen, hätte seine Karriere nicht auf dem Spiel gestanden, hätte Hennings ihn nicht mit seinen stahlgrauen Augen prüfend angestarrt und wäre die verdammte Digitaluhr nicht angestellt gewesen, hätte er – vielleicht – gewartet. Noch vier Minuten.
    Der Funkfernschreiber begann wieder zu klappern. Sloan riß die kurze Nachricht ab, las sie durch und lächelte zufrieden. »Die C-130 hat den Zielkörper gestartet und auf den vorgesehenen Kurs gebracht. Die Drohne hat inzwischen Mach 2 erreicht und befindet sich in 60 000 Fuß im Horizontalflug.« Er warf einen Blick auf die Digitaluhr. »In zwei Minuten und 30 Sekunden kann ich Leutnant Matos den Befehl geben, das Ziel aufzuspüren und anzugreifen.«
    »Möchten Sie noch einen Drink?«
    »Nein, danke, vielleicht später.« John Berry stellte sein leeres Glas ab und sah zu der Stewardess auf. Ihr schulterlanges brünettes Haar streifte den weißen Kragen ihrer Bluse. Sie war sportlich schlank, trug kaum Make-up und sah wie ein Fotomodell auf dem Umschlag einer Tennisklubbroschüre aus. Berry hatte seit dem Start schon mehrmals mit ihr gesprochen. Seitdem sie das zweite Frühstück serviert hatte, schien sie sich hauptsächlich in der Nähe seines Platzes aufzuhalten. »Nicht sehr voll«, meinte Berry und zeigte auf die vielen leeren Sitze in der Ersten Klasse der Straton 797.
    »Hier vorn nicht, aber dafür sitzen hinten um so mehr. Ich bin froh, daß ich für die Erste Klasse zuständig bin. Die Touristenklasse ist voll.«
    »Hochsaison in Tokio?«
    »Offenbar. Vielleicht haben die Reisebüros Transistorfabriken im Sonderangebot.« Sie lachte über ihren eigenen Scherz. »Reisen Sie zum Vergnügen oder geschäftlich?«
    »Bei mir trifft beides zu. Für mich ist’s ein Vergnügen, geschäftlich zu verreisen.« Solche ehrliche Antworten kommen manchmal unerwartet. Aber John Berry war bewußt ehrlich gewesen. Diese junge Stewardess war alles, was Jennifer Berry nicht war. Und noch besser: Sie schien nichts von dem zu sein, was Jennifer Berry geworden war. »Sharon?« Er zeigte auf das Namensschild der Stewardess.
    »Ja, Sharon Crandall. Aus San Francisco.«
    »John Berry aus New York. Ich reise zu Verhandlungen mit der Kabushi Steel nach Tokio. Dann besuche ich ein Gußwerk in Nagasaki. Keine Transistorfabriken. Ich bin zweimal im Jahr in Japan. Der Boss schickt mich, weil ich am größten bin. Die Japaner unterstreichen gern die Unterschiede zwischen sich und westlichen Ausländern. Kleine Vertreter machen sie nervös.«
    »Tatsächlich?« Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Ist das wirklich wahr? Das habe ich noch nie gehört.«
    »Es stimmt aber.« Berry zögerte. Er räusperte sich. Allein der Gedanke, diese junge Frau aufzufordern, sich neben ihn zu setzen und sich mit ihm zu unterhalten, war etwas beunruhigend. Dabei wollte er sich nur ein bißchen unterhalten. Um die Zeit totzuschlagen. Um ein paar Minuten lang das schöne Gefühl haben zu können, die Situation in New York existiere nicht.
    Jennifer Berrys Fangarme reichten sogar bis hierher. Obwohl er durch einen Kontinent und ein Meer von ihr getrennt war, bildete er sich ein, ständig ihre Gegenwart zu spüren. Der Gedanke an seine schwierige, ewig nörgelnde Frau lastete schwer auf John Berry. Aber er dachte auch an ihre beiden halbwüchsigen Kinder – ein Sohn und eine Tochter –, die sich von Jahr zu Jahr weiter von ihm entfernt hatten. Die Familie wurde praktisch nur mehr durch den
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