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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
Autoren: Isabel Allende
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Antibiotika verabreicht, deshalb konnte man sie, als ein Virus grassierte, nicht retten. Zwanzigtausend Leute, die meisten davon Frauen, verloren ihre Arbeit bei den Lachsfarmen, aber die Tochter von Eduvigis hat ihre Stelle noch.
    Wir setzten uns bald zu Tisch. Als der Deckel gehoben wurde und mir der Duft in die Nase stieg, fühlte ich mich wie als kleines Kind in der Küche meiner Großeltern und bekam feuchte Augen vor Heimweh. Eduvigis’ Hühnereintopf war meine erste feste Nahrung seit Tagen. Dieses Kranksein ist peinlich gewesen, in einem Haus ohne Türen konnte ich die Spuckerei und den Durchfall unmöglich verheimlichen. Ich fragte Manuel, was mit den Türen passiert sei, und er sagte, er lebe lieber in offenen Räumen. Ich habe mir an den Trogmuscheln mit Parmesan und dem Guavenkuchen von Tía Blanca den Magen verdorben, da bin ich mir sicher. Manuel tat erst, als bekomme er nicht mit, was auf der Toilette geschah, konnte das aber nicht lange durchhalten, denn ich sah aus wie meine eigene Leiche. Ich hörte, wie er über Handy mit Blanca sprach und sich Rat holte, dann kochte er mir Reissuppe, wechselte meine Bettwäsche und brachte mir die Wärmflasche. Er behält mich verstohlen im Auge, sagt keinen Ton, ist aber zur Stelle, wenn ich etwas brauche. Auf meine leisen Versuche, mich zu bedanken, antwortet er mit Grummeln. Außerdem hat er Liliana Treviño angerufen, die Krankenschwester im Ort, eine junge, kleine, stämmige Frau mit ansteckendem Lachen und einer nicht zu bändigenden Mähne krauser Haare, und sie hat mir ein paar riesige, raue Kohletabletten vorbeigebracht, die man kaum schlucken kann. Weil sie überhauptnicht halfen, lieh Manuel sich den kleinen Lieferwagen vom Gemüseladen und brachte mich ins Dorf zum Arzt.
    Donnerstags kommt das Boot vom staatlichen Gesundheitsdienst auf seiner Rundreise zu den Inseln hier vorbei. Der Arzt sah aus wie vierzehn, ein Milchgesicht mit Brille, hatte meinen Zustand aber auf den ersten Blick erfasst: »Chilenitis, das kriegen alle Ausländer, die nach Chile kommen. Das geht wieder weg.« Und er gab mir ein paar Tabletten in einem Papiertütchen. Eduvigis brühte mir einen Kräutertee auf, weil sie den Medikamenten aus der Apotheke nicht vertraut, das sei bloß Geldschneiderei von den amerikanischen Herstellern, sagt sie. Ich habe ihren Tee brav getrunken, und langsam geht es mir besser. Eduvigis Corrales gefällt mir, sie redet wie ein Wasserfall, genau wie Tía Blanca; die übrigen Leute hier sind wortkarg.
    Juanito Corrales wollte etwas über meine Familie wissen, also sagte ich ihm, meine Mutter sei eine Prinzessin aus Lappland. Manuel arbeitete an seinem Schreibtisch und schwieg dazu, erst als der Junge weg war, erklärte er mir, dass die Samen, die in Lappland leben, kein Königshaus haben. Wir saßen am Esstisch, er vor einer Seezunge mit Butter und frischem Koriander, ich vor einer klaren Brühe. Ich erzählte ihm, die Prinzessin aus Lappland sei eine Schnapsidee meiner Nini gewesen, als ich ungefähr fünf war und die Geheimniskrämerei um meine Mutter allmählich sonderbar fand. Ich weiß noch, wir waren in der Küche, dem gemütlichsten Raum im Haus, und backten wie jede Woche Kekse für die Kriminellen und Junkies von Mike O’Kelly, dem besten Freund meiner Nini, der sich die unlösbare Aufgabe zu eigen gemacht hat, die verirrte Jugend zu retten. Mike ist ein waschechter Ire, in Dublin geboren, und weil seine Haut so weiß, sein Haar so schwarz und seine Augen so blau sind, hat mein Pop ihm den Spitznamen Schneewittchen gegeben, nach der Prinzessin, die so treudoof in den vergiftetenApfel beißt. Ich möchte nicht behaupten, Mike O’Kelly sei treudoof; man könnte ihn im Gegenteil für sehr gerissen halten: Er ist der Einzige, bei dem es meiner Nini zuweilen die Sprache verschlägt. Die Prinzessin aus Lappland kam in einem meiner Bilderbücher vor. Ich besaß eine richtige Bibliothek, weil mein Pop dachte, dass Kultur durch Osmose auf einen übergeht und man damit nicht früh genug anfangen kann, aber meine Lieblingsbücher handelten von Feen. Für meinen Pop waren Kindermärchen rassistisch, sonst wären ja vielleicht auch Feen in Botswana oder Guatemala vorgekommen, aber er ließ mich lesen, was ich wollte, und sagte mir nur seine Meinung, um mich zu kritischem Denken anzuregen. Meine Nini wiederum hatte für mein kritisches Denken wenig übrig und beendete es zumeist durch einen Klaps hinter die Löffel.
    Auf einem Bild, das ich im
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