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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex
Autoren: Hen Hermanns
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und wurde sofort umhalst. Wer hätte das von einer so chicen Lifestyle-Consultantin gedacht? Gegen diesen Kerl würde sich ja selbst der metzgerhafte Gérard Depardieu geradezu ätherisch-feingliedrig-sensibel ausnehmen. Den ganzen Tag guten Geschmack verkaufen, und dann so was. Frau Glanzmann, Frau Glanzmann. Aber welcher Konditor mag schon jeden Tag Torte. Ich machte mit meiner Nikon ein paar schöne Fotos.
    »Non sii crudel!« sang Piero Cappuccilli, »nicht grausam sein!« Was wollte er von mir, ich tat nur meinen Job.

    Der Minicooper fuhr los und ich hinterher. Wir fuhren die Turiner Straße bis zum Ebertplatz und bogen dann in die Neusser Straße ein. Wir überquerten die Innere Kanalstraße und waren schon wieder in Nippes. Hier schien sich jetzt wohl alles Wichtige abzuspielen. Aber der Minicooper ließ auch Nippes hinter sich. Wir fuhren die Neusser Straße rauf, bis sie zur Neusser Landstraße wurde und ein großer Auftritt von José Carreras kam. »Angiol che dall’empireo piegasti a terra l’ale, Engel, der mir vom Himmel her gesandt durch Gottes Gnade«, schmetterte er, als wir links in die Merianstraße abbogen und ich sah, wo die Fahrt hinging. Wir fuhren nach Chorweiler, Prol-City, unsere kleine Bronx. Wenn Frau Glanzmann unter ihr Niveau ging, dann aber auch richtig.
    »Vedi la quell’uom? Qual ombra ogni di appar«, zuckerte Mirella Freni aus den Boxen, »siehst du den Mann? Tagtäglich erscheint er hier.«
    Das schien auch auf den großen Blonden zuzutreffen, anscheinend wohnte er hier. Der Minicooper parkte vor einer dieser Wohnmaschinen, und das Traumpaar stieg aus.
    Tschiep-tschiep-tschiep, machte die Nikon. Sie betraten das Haus, und ich starrte gebannt auf die Front. Ich hatte Glück. In der siebten Etage ging das Licht an. Das mußte die Wohnung des Lovers sein. Ich stieg aus und stellte fest, daß das Glück mir weiter treu blieb. Die Wohnmaschine gegenüber zeigte mit dem Treppenhaus auf die Wohnung des Muskelpakets. Und das Treppenhaus hatte Fenster! Ich rannte rüber und schlug die flache Hand auf die obersten Klingelknöpfe. Ein Summer quäkte und die Tür ging auf. »Danke, Reklame!« schrie ich nach oben. »Verdammtes Arschloch, ich polier dir die Fresse!« kam es zurück. Ich blieb ruhig stehen und wartete ein paar Minuten. Bloß eine leere Drohung. Ich stieg schnell und geräuschlos in den siebten Stock und machte die Kamera klar. Drüben war das Licht immer noch an. Ich hatte mehr Glück als Verstand. Es roch nach Blumenkohl, und aus einer Wohnung krakeelten die Stimmen eines streitenden Paars. »Rümm dinne verdampte Dreck doch selber weg!« keifte eine weibliche Stimme. »Halt die Schnüss, du Blödmann!« schrie eine Männerstimme in offensichtlicher Verkennung des Geschlechts seiner Kontrahentin. Ich starrte durch den Sucher und stellte das Teleobjektiv scharf. »Ich bring datt Jeld nach Huss!« schrie der Mann. Hörte das denn nie auf? Jetzt hatte ich die beiden im Bild. Ich sah genau das, was Herr Glanzmann befürchtete. Frau Glanzmann machte Bodybuilding. Sie trainierte allerdings nur die hochempfindlichen Körperteile. Gut, daß der Film, den ich eingelegt hatte, ebenfalls hochempfindlich war. Glanzmann würde trotz der Entfernung hervorragendes Nahaufnahmenmaterial bekommen. Der Blonde machte viele Liegestütze, und dann spielte Frau Glanzmann Hoppe-hoppe-Reiter.

    Ob Glanzmann meine Fotos gefallen würden? Ich dachte an die Anfangsszene aus »Chinatown«, in der Jack Nicholson einem Klienten eindeutige Fotos von dessen Frau und einem anderen Kerl zeigt. Der Typ dreht dermaßen durch, daß er in die Fensterrollos beißt, und Nicholson sagt ganz cool: »Du kannst die Rollos nicht essen, ich hab sie erst seit Mittwoch.«
    Hoffentlich würde sich Glanzmann zusammenreißen. Ich hatte meine Rollos zwar schon etwas länger, aber ich wollte keinen hysterisch weinenden Klienten in meinem Büro sehen. Ich ließ die Nikon noch ein paarmal lostschiepen. Das Training war weit fortgeschritten, und man war anscheinend schon beim zweiten Durchgang. Frau Glanzmann saß auf ihrem Sparringspartner und machte Sit-up-ähnliche Bewegungen.
    Feierabend. Auch das streitende Paar war jetzt ruhig und konzentrierte sich darauf, mit heilig-zornigem Schweigen den Blumenkohl in sich hineinzupressen.
    »O crudele destino«, beklagte sich Piero Cappuc-cilli, als ich nach Hause fuhr, »o dileguate mie speranze! O grausames Schicksal, du bist dahin, o süßes Hoffen.«

15

    Am Mittwochmorgen lief ich
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