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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex
Autoren: Hen Hermanns
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sie küßchen-küßchen-mäßig begrüßt wurde. Das konnte dauern. Ich ging ins >Spitz< um die Ecke und nahm in Ruhe ein zweites Frühstück ein. Dann holte ich den Volvo und parkte fünfzig Meter vom Friseur entfernt in der zweiten Reihe. Nach einer halben Stunde sah ich von weitem einen Mann, der mir bekannt vorkam. Es war der Walter-Benjamin-Verschnitt, Breyvogels Assistent. Er ging in den Friseurladen.
    Wollte er sich das Schnurrbärtchen dauerweilen lassen? Er wollte nur seine Freundin abholen. Mit Anna Ziegler im Arm kam er wieder raus. Ich war platt. Ich stellte den Wagen in eine Lücke mit absolutem Halteverbot und folgte dem glücklichen Paar. Sie gingen zum Stehitaliener in der Apostelnstraße. Auch hier wieder Küßchen-Küßchen. Ich drückte mich eine Stunde auf der Straße herum und fraß vor lauter Langeweile zwei Fischbrötchen aus dem Nordseeladen. Es war so kalt, daß Ohren und Nase schmerzten. Beschattungen waren mehr was für den Sommer.
    Dann kamen sie endlich lachend und engumschlungen raus und gingen zu meinem großen Glück zu einem Taxistand, der kurz vor der Pfeilstraße lag. Ich hetzte zu meinem Auto. Es war sogar knöllchenfrei. Das Taxi fuhr an mir vorbei, ich bugsierte den Volvo aus der Parklücke und fuhr hinterher. Die beiden knutschten sich hinten auf der Rückbank ab, als wäre der Taxifahrer nicht vorhanden. Nach zehn Minuten heavy petting bog das Taxi am Ebertplatz in die Neusser Straße ein und überquerte dann die Innere Kanalstraße. Wir waren in Köln-Nippes, in meinem Revier sozusagen. Vor einem schönen Altbau in der Florastraße hielt das Taxi. Ich fuhr nach Hause und überließ das Paar der Realisierung seiner eindeutigen Absichten.

    Walter Benjamin und Anna Ziegler, wer hätte das gedacht? Bei der DALAG AG hatte er sich mit Holder gemeldet. Ich checkte im Telefonbuch nach. Der Holde wohnte in der Florastraße 18 und hieß mit Vornamen Eberhard. Anna Ziegler und Eberhard Holder. Ob die beiden hinter der Entführung steckten? Ich rief Ziegler an. Keiner zu Hause. Ich versuchte es in seinem Büro am Kaiser-Wilhelm-Ring.
    Er meldete sich mit einem schlichten »Ja bitte«.
    »Ich habe etwas herausgefunden, das Sie interessieren könnte«, sagte ich, »kann ich mal eben vorbeikommen?«
    »O. k.«, sagte Ziegler und legte auf.
    Dann rief ich Alwine im Café an.
    »Sind dir die Bratkartoffeln gut bekommen?« fragte sie. »Schmeckten nach mehr«, sagte ich, »was essen wir heute nacht?«
    »Ich glaube, wir müssen jetzt ’ne Weile fasten. Daniel hat eine Connection zum Würzburger Stadttheater aufgetan, und unser Stück hat am nächsten Samstag Premiere.«
    »So plötzlich? Im Stadttheater?«
    »Na ja, im kleinen Haus. Jedenfalls ist da jemand krank geworden, und wir können einspringen. Wir haben zwar schon ein paar Wochen geprobt, aber jetzt müssen wir natürlich Tag und Nacht arbeiten. Heute abend sprechen wir alles mit dem Ensemble durch. Ich weiß nicht, wie spät das wird.«
    »Na, dann herzlichen Glückwunsch.«
    »Wir sehen uns morgen, Maxischatzi.«
    Ich freute mich für Alwine. Ich war sauer auf Alwine. Ich wünschte diesem Daniel Schwetzer was. Es war nichts Gutes. Und dieses Würzburg schien ja wohl die Stadt der Zukunft zu sein.

    Zieglers Büro war in der vierten Etage eines dieser einfallslosen Geschäftshäuser. Ich ignorierte den Aufzug und kletterte durch das dunkle Treppenhaus einer Sopranstimme entgegen, die immer lauter wurde und etwas unendlich Trauriges sang.
    »Die letzten Lieder von Richard Strauss«, begrüßte mich Ziegler, »o weiter, stiller Friede, so tief im Abendrot, wie sind wir wandermüde, ist dies etwa der Tod?«
    Der Mann war wirklich ziemlich fertig. Heute wieder grau in grau in feinstem Tuch und mit gequältem Asketenantlitz. Ziegler ging zu einer bombastischen Hi-Fi-Anlage und schaltete sie aus.
    Das Büro war zweckmäßig und kühl eingerichtet. Ein anthrazitfarbiger Teppichboden, ein schwarzer Schrank, ein großer quadratischer Tisch, der anscheinend als Schreib- und Besprechungstisch benutzt wurde, vier schwarze Ledersessel mit Chromlehnen. In einer Ecke stand auf einem Sockel eine bedrohlich aussehende Samurairüstung, an der Wand hingen vier Samuraischwerter. Ziegler nahm meinen fragenden Blick auf.
    »Ich mache seit einigen Jahren Kendo. Ich kann schon ein bißchen mit den Dingern umgehen. Aber in erster Linie sind es natürlich Sammlerstücke. Nehmen Sie doch Platz.«
    »Sie machen Kendo? Warum haben Sie die Entführer denn nicht
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