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Maurice, der Kater

Maurice, der Kater

Titel: Maurice, der Kater
Autoren: Terry Pratchett
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Und Maurice hatte nie darüber nachdenken müssen. Katzen brauchten nicht zu denken. Sie mussten nur wissen, was sie wollten. Das Denken erledigten die Menschen. Dazu waren sie da.
    Maurice erinnerte sich an die gute alte Zeit, bevor sein Gehirn zu brodeln begonnen hatte. Man setzte sich vor die Küchentür der Universität und sah ganz lieb aus, und dann versuchten die Köche herauszufinden, was man wollte. Es war wirklich erstaunlich! Sie stellten Fragen wie »Möchtest du vielleicht ein bisschen Milch, Schnutziputzi? Oder einen Keks? Oder diese leckeren Abfälle hier?« Maurice hatte nur warten müssen, bis vertraute Geräusche erklangen, zum Beispiel »Truthahnschenkel« oder »gehacktes Lammfleisch«.
    Aber er war sicher, dass er nie etwas Magisches gefressen hatte. Es gab doch kein verzaubertes Hühnerklein, oder?
    Die Ratten hatten das magische Zeug gefressen. Der Haufen, den sie »Zuhause« und auch »Nahrung« nannten, lag hinter der Universität, und immerhin war es eine Universität für Zauberer. Der damalige Maurice hatte kaum auf Menschen geachtet, die keinen Teller in der Hand hielten, aber er wusste, dass die großen Männer mit den spitzen Hüten seltsame Dinge anstellten.
    Und inzwischen wusste er auch, was mit den Dingen geschah, die die Zauberer benutzten – sie wurden über die Mauer geworfen, wenn sie ihren Zweck erfüllt hatten. Zerfledderte Zauberbücher, die Stummel tropfender Kerzen, die Reste des grünen blubbernden Breis in den Kesseln – das alles endete auf dem Müllhaufen, zusammen mit Blechdosen, alten Schachteln und Küchenabfällen. Die Zauberer hatten Schilder mit der Aufschrift »Gefährlich« und »Giftig« aufgestellt, aber damals konnten die Ratten noch nicht lesen, und sie mochten die Stummel tropfender Kerzen.
    Maurice hatte nie etwas von dem Haufen gefressen. Er stellte sich immer wieder die gleiche Frage, aber er war ganz sicher. Seiner Ansicht nach lautete ein gutes Motto im Leben: Iss nichts, das glüht.
    Trotzdem war er etwa zur gleichen Zeit intelligent geworden wie die Ratten – ein Rätsel.
    Seit damals hatte er getan, was Katzen immer taten: Er steuerte Leute. Jetzt gehörten natürlich auch einige der Ratten zu den Leuten. Leute waren Leute, auch wenn sie vier Beine hatten und sich Namen wie Gefährliche Bohnen gaben. Solche Namen gab man sich, wenn man lesen lernte und noch nicht ganz verstand, was die Worte bedeuteten, wenn man die Etiketten rostiger Blechdosen las und am Klang bestimmter Worte Gefallen fand. Das Problem mit dem Denken war, dass man nicht mehr damit aufhören konnte, wenn man einmal angefangen hatte. Soweit es Maurice betraf, dachten die Ratten eindeutig zu viel. Gefährliche Bohnen war schon schlimm genug, aber er dachte so sehr darüber nach, wie Ratten irgendwo ihre eigene Zivilisation schaffen konnten, dass Maurice mit ihm fertig wurde. Am schlimmsten war Pfirsiche. Normalerweise bestand sein Trick darin, seine Gesprächspartner mit schnellem Reden zu verwirren, aber das funktionierte bei ihr nicht.
    »Ähem«, begann sie erneut, »wir glauben, dass dies das letzte Mal sein sollte.«
Maurice starrte. Die anderen Ratten wichen ein wenig zurück, aber Pfirsiche starrte zurück!
»Dies muss das letzte Mal sein, dass wir den dummen Rattenplage-Trick anwenden«, sagte Pfirsiche. »Und das ist endgültig.«
    »Wie denkt Gekochter Schinken darüber?«, fragte Maurice. Er wandte sich dem Oberhaupt der Ratten zu, das stumm zugehört hatte. Es war immer eine gute Idee, sich an Gekochter Schinken zu wenden, wenn Pfirsiche Schwierigkeiten machte, denn er konnte sie nicht leiden.
    »Was soll das heißen, wie ich denke?«, fragte Gekochter Schinken. »Ich… Chef, ich denke, wir sollten mit dem Trick aufhören«, sagte Pfirsiche und neigte nervös den Kopf.
    »Ach, du denkst das?«, erwiderte Gekochter Schinken. »Alle denken heutzutage. Ich denke, es wird einfach zu viel gedacht, ja, das denke ich. In meiner Jugend haben wir nie übers Denken nachgedacht. Wir hätten nie irgend etwas zuwege gebracht, wenn wir immerzu gedacht hätten.«
    Er warf Maurice einen bösen Blick zu. Gekochter Schinken mochte Maurice nicht. Er mochte die meisten Dinge nicht, die nach der Veränderung geschehen waren. Maurice fragte sich, wie lange Gekochter Schinken noch das Oberhaupt der Ratten bleiben würde. Ihm gefiel das Denken nicht. Er gehörte zu der Zeit, als Rattenanführer groß und garstig sein mussten. Die Welt bewegte sich zu schnell für ihn, und das machte ihn
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