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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert
Autoren: Friedrich Glauser
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der nun tot ist und der euch seine Dankbarkeit hat bezeigen wollen… Gestern vor acht Tagen haben sich Pieterlen und Herbert Caplaun getroffen. Der Pieterlen hatte den Sandsack mitgebracht. Sie hatten beide beschlossen, den Direktor aus dem Wege zu räumen, beide aus Dankbarkeit. Und Gilgen stand daneben, Gilgen fand den Plan verrückt, er riet ab, aber mit dem Herbert Caplaun war einfach nicht zu verhandeln. Herbert hat mir erzählt, er sei wie verrückt gewesen, damals, an jenem Sonntag; und am Sonntag vorher sei es genau so arg gewesen… Da sei es ihm, dem Herbert, gelungen, den Pieterlen zu überzeugen. Aber Pieterlen wollte dem Caplaun nicht allein den Ruhm lassen – er wollte auch seinen Teil Dankbarkeit dazu beisteuern. Er beschloß, zu fliehen. Auch er hatte Grund genug, den Direktor zu hassen… Hatte ihm der Bundesratsattentäter nicht eingetrichtert, der Direktor sei daran schuld, daß er, Pieterlen, nicht entlassen werden könne? Daß er frei würde, sobald ihr, Herr Doktor, Direktor sein würdet? Ich will ja zugeben, daß ihr recht habt: nicht nur Dankbarkeit war die Triebfeder des ganzen Mordplans, jeder hatte auch noch seine eigenen privaten Gründe… Und habt ihr mir nicht selbst einmal erzählt, Irrsinn sei ansteckend?… Der kleine Gilgen war ein weicher Mensch, weiche Menschen sind gefährlich, wenn sie einmal wütend werden… Es war wohl in der ganzen Anstalt bekannt, daß ihr mit dem Direktor nicht gut standet, daß er euch gern den Hals brechen wollte… Oder?… Mir scheint, ihr waret in einer ähnlichen Lage wie seinerzeit der Kommissar Studer, als er gegen den Obersten Caplaun zu Felde zog… Vielleicht ist euch deshalb der Wachtmeister Studer wieder eingefallen und ihr habt
ihn
verlangt, um gedeckt zu sein… Stimmt's?…«
    Schweigen. Dann sagte Dr. Laduner langsam:
    »Mir scheint, Studer, Sie leiden an Gedankenflucht… Ich muß ehrlich sagen, die paar Rapporte, die ich von Ihnen kenne, waren bedeutend klarer als die Erzählung, die sie mir jetzt auftischen… Sie hüpfen von einem Thema aufs andere, Sie sind undeutlich… Dürfte ich Sie vielleicht höflich ersuchen, sich ein wenig klarer auszudrücken? Wenigstens
eine
Geschichte zu beenden? Wer hat nun die Brieftasche mit dem Paß des Direktors und mit dem Geld hinter meine Bücher versteckt?«
    »Ich werde darauf zurückkommen«, sagte Studer ruhig, »ihr müßt mich erzählen lassen, so gut ich kann, Herr Doktor, das ist nicht ein einfacher Fall, wie ein anderer, der draußen unter normalen Menschen spielt… Dort habe ich sogenannte materielle Indizien, die ich so oder so werten kann… Hier hatte jedes Indizium einen ganzen Zopf von seelischen Komplikationen – wenn ihr mir den Ausdruck erlauben wollet…
    Gut. Ihr wollt eine Erzählung. Dann will ich euch die Geschichte von gestern abend erzählen, die fünfundvierzig Minuten gedauert hat… Nicht länger…
    »Könnt ihr euch das Zimmer vorstellen im Hüüsli des kleinen Gilgen? Eine Lampe hängt von der Decke herab, die einen grünen seidenen Schirm trägt mit Fransen aus Glasperlen… In der Mitte ein Tisch, ein schwerer Tisch. An den Wänden ein paar Bilder – und Postkarten… Ihr kennt die Postkarten, auf denen ein schöngestrählter Jüngling mit farbigem Poschettli ein Meitschi küßt, das rosarote Backen hat? Und Versli, in Silberschrift, stehen unter dem Paar: ›Lippen schweigen, es flüstern Geigen, hab mich lieb…‹ Solche Postkarten waren mit Reißnägeln an den Wänden befestigt. Am Boden lag der Portier Dreyer. Und der Herbert Caplaun saß zwischen mir und dem Jutzeler… Ich hatte den Jutzeler gefragt, warum er hierher gekommen sei… Er wollte mir nicht antworten, zuckte mit den Achseln… Endlich sagte er, er habe den Pieterlen suchen wollen, er sei überzeugt gewesen, Pieterlen habe sich zuerst in der Anstalt versteckt gehalten, aber dann sei es ihm zu unsicher geworden… Er habe sich gefragt, wohin sich Pieterlen geflüchtet haben könne, und da habe er an das Hüüsli vom Gilgen gedacht. Er sei eingetreten, der Raum hier sei dunkel gewesen, plötzlich aber sei das Licht aufgeflammt und Herbert Caplaun sei vor ihm gestanden und habe ihn mit dem Revolver bedroht…
    ›Warum hast du den Jutzeler erschießen wollen?‹ hab ich den Herbert gefragt.
    ›Weil er mir nachspioniert hat… Weil er mich an meinen Vater hat verraten wollen… Weil er mich beim Doktor Laduner verrätscht hat…‹
    ›Aber, Herr Caplaun‹, sagte der Jutzeler, ›das hab ich doch
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