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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert
Autoren: Friedrich Glauser
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Herbert Caplaun in einer Ecke und ihm gegenüber, auf einem Stuhl, starr wie Holz, der Abteiliger Jutzeler. Der Herbert hielt eine kleine Browningpistole in der Hand und wollte den Abteiliger Jutzeler erschießen. Es war noch ein anderer Mann im Raum, und dem schien der Gedanke sehr einzuleuchten, daß nun der Jutzeler erschossen werden sollte…
    Ihr seid jeden Morgen und des Tags über, ich weiß nicht wie oft, am Portier vorbeigelaufen… Er hat für euch die Telephonanschlüsse besorgt, er hockte hinter seinem Gitter, verkaufte Zigarren, Zigaretten, am Morgen wischte er den Gang, blochte die Büroräume… Ein nützlicher Mensch!… Er hat gut Bescheid gewußt in der Anstalt… Wißt ihr, warum er mir von Anfang an ein wenig unheimlich vorgekommen ist?… Er hatte ein ähnliches Lächeln wie ihr, Herr Doktor, und dann, das war das Ausschlaggebende – er war an der Hand verwundet…
    Ihr erinnert euch an das Büro und an das Fenster… Dreyer trug einen Verband an der linken Hand. Später erfuhr ich, daß er mit dem Abteiliger Jutzeler im Büro gekämpft hatte. Aber der Grund, den der Portier angab, warum er sich um ein Uhr nachts ins Direktionsbüro geschlichen hatte, dieser Grund wollte mir nicht einleuchten. Und als ich nachdachte, stieß ich immer wieder auf den einen Gedanken: Wer wußte von dem Geld der Krankenkasse? Der Portier Dreyer.
    In jenem Zimmer saß er neben dem Herbert Caplaun, und es sah aus, als wollte er den jungen Mann dazu bringen, zu schießen. Warum sollte der Jutzeler erschossen werden? Höchst wahrscheinlich, weil er etwas wußte…
    In diesem Augenblick betrete ich, der Wachtmeister Studer, das Zimmer. Ich bin nicht ängstlich, Herr Doktor. Ich fürcht' mich nicht einmal vor einer geladenen Pistole… Wenn ihr die Szene gesehen hättet, ihr hättet lachen müssen. Ich bin einfach auf den Herbert zugegangen und hab' ihm gesagt: Gib mir die Pistole. Der Dreyer hat dazwischenfahren wollen. Und da hab' ich ihn ganz leicht unters Kinn gestupft. Dann ist er umgefallen.«
    Studer betrachtete nachdenklich seine Faust, blickte auf, und da sah er Frau Laduner lächeln. Das Lächeln tat dem Wachtmeister wohl.
    »Auch der Jutzeler hat sich nicht aufgeregt. Er hat nur gesagt: ›Merci denn, Wachtmeischter‹. Und dann haben wir den Caplaun in die Mitte genommen, und er hat erzählen müssen… Hat er euch nie vom Portier erzählt, Herr Doktor?«
    »Die Analyse beschäftigt sich nicht mit derart irrelevanten Dingen«, sagte Doktor Laduner gereizt. »Es sind gewöhnlich Ausfluchtsmanöver…«
    »Es wäre vielleicht doch gut gewesen, ihr wäret auf diese Ausfluchtsmanöver näher eingegangen… Irrelevant? Das heißt wohl nebensächlich?…«
    »Man kann es so übersetzen«, sagte Doktor Laduner versöhnlich.
    »Ich finde ja, daß der Portier Dreyer durchaus keine nebensächliche Rolle gespielt hat. Wenn der Herr Oberst über seinen Sohn, über die Verhältnisse der Anstalt, über euch, Herr Doktor, so gut Bescheid wußte, so hatte er das dem Portier zu verdanken… Wußtet ihr, daß der Mann früher in Paris und in England als Portier in großen Hotels angestellt war? Wußtet ihr, daß er dort viel gewettet – viel Geld verspielt hat? Er hat sich das nicht abgewöhnt. Ich habe nur zu telephonieren brauchen. Dann habe ich über den Portier Dreyer Bescheid gewußt… Der Mann brauchte Geld. Was er im Büro gesucht hat, es ist wohl nicht schwer zu erraten: das Geld, das die Krankenkasse ausbezahlt hatte…
    Wir haben den Herbert gefragt, der Abteiliger Jutzeler und ich, von wo aus er dem Direktor angerufen habe an jenem Abend, da im Kasino die Sichlete gefeiert wurde… Er hatte sich in die Anstalt geschlichen, durch die Türe im Sous-sol des R – ist euch nie ein Passe abhanden gekommen, Herr Doktor?« Studer wartete auf eine Antwort, er wartete lange. Dann zuckte er müde mit den Achseln und fuhr fort.
    »Ich hab', scheint es, ganz euer Vertrauen verloren, Herr Doktor… Kurz, hier ist der Passe; der Herbert Caplaun trug ihn auf sich. Ich habe ihn zu mir gesteckt… Als Andenken für euch…« Und Studer schob den mattglänzenden Schlüssel sachte über den Tisch, aber Dr. Laduner steckte seine Hände nur tiefer in die Taschen seines Schlafrockes. Dann blickte er zum Fenster, als ob von dorther Zugluft drohe.
    »Machen Sie kein sentimentales Theater, Studer« sagte er mürrisch…
    »Sentimental?« wiederholte Studer fragend. »Warum sentimental? Es handelt sich schließlich doch um einen Menschen,
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