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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball
Autoren: Arnold Kuesters
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die Spur gekommen sind und nach ihm gefahndet haben. Dass wir uns bisher nur Sorgen um ihn gemacht haben, kann er doch nicht ahnen. Andererseits, wer weiß wirklich, was in ihm vorgeht.«
    »Was er wohl in der Klinik wollte?«
    »Wie gesagt, wir werden ihn fragen.«
    * * *
    Viola Kaumanns tastete sich nur langsam Stück für Stück voran. Die Mündung der alten Pistole drückte hart gegen ihren Rücken. In diesem Teil der Klinik war es still. Keine Patienten, kein Pflegepersonal, nur das Grau der verlassenen Flure, leere Rollstühle, ein zurückgelassener Essenswagen. Viola Kaumanns versuchte sich zu orientieren, aber in ihrer Angst hatte sie jeden Sinn für Richtungen verloren. Sie war dem alten Mann ausgeliefert.
    »Wo gehen wir hin?«
    »Bleiben Sie ganz ruhig, mein Kind, dann wird Ihnen nichts geschehen. Ganz ruhig. Bitte, gehen Sie weiter. Am Ende dieses Ganges gehen rechts ein paar Stufen ab. Wir sind gleich da.« Heinrich Krüger stieß die Pistole erneut hart in den Rücken der Beamtin. Seine Stimme klang freundlich. »Sagen Sie mir bitte, mein Kind, wie haben Sie mich gefunden? Woher wussten Sie, dass ich hierher kommen würde? Sie sind ein schlaues Köpfchen. Ich war mir sicher, dass man mich hier nicht vermuten würde. Ich wäre in dieser Umgebung niemals aufgefallen. Ein alter Mann, der sich in einer geriatrischen Klinik aufhält, das ist doch völlig normal.«
    Viola Kaumanns antwortete nicht. Ihre Gedanken rasten. Er konnte sie erschießen. Krüger würde das zweifelsohne tun, ohne zu zögern. Denn er hatte nichts zu verlieren. Viola Kaumanns versuchte, nicht an die entsetzlichen Bilder der Toten zu denken, die Krüger hingerichtet hatte. Aber es gelang ihr nicht. Sie musste immer wieder schlucken. Ihr Hals war trocken. Sie war eine Geisel. Menschen, die sie bisher nur auf Fernsehbildern gesehen hatte. Nun war sie selbst in der Gewalt eines Entfuhrers.
    Sie musste versuchen, Zeit zu gewinnen. Sie musste mit Krüger ins Gespräch kommen. Verständnis zeigen. Bloß keine eindeutige Opferhaltung. Viola Kaumanns versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie auf der Polizeischule gelernt hatte. Verdammt, sie hatte alles vergessen. Ihr Kopf war leer. Jede Erinnerung an die Rollenspiele und Übungen wie ausgelöscht. Sie konzentrierte sich auf ihr Atmen. Jetzt nur nicht den Kopf verlieren. Es gelang ihr nicht. Jeder Atemzug tat ihr weh. Sie musste an ihre Eltern denken. Was sie wohl gerade machten?
    Sie kamen an einem Schild mit einem Pfeil vorbei: Operationssaal. Wozu, um alles in der Welt, braucht eine geriatrische Klinik einen OP? Diese Frage brannte sich in die Gedanken der jungen Beamtin. Wie lächerlich, ein OP. Das gibt es doch gar nicht. Was wollte Krüger dort mit ihr?
    »Ich hatte Sie doch etwas gefragt? Da, jetzt hier entlang.« Heinrich Krüger hustete leicht, als er die Polizistin die Treppenstufen hinunter drängte. »Ich warte auf Ihre Antwort, mein Kind.«
    Was hatte Krüger gefragt? Viola Kaumanns konnte sich nicht erinnern. »Ich weiß nicht.« Das ist absurd, dachte sie, er hatte sie als Geisel genommen und sprach mit ihr, als säßen sie bei Tee und Gebäck.
    »›Ich weiß nicht‹ gibts nicht. Na, auch egal. So, wir sind da.« Heinrich Krüger nahm einen Schlüssel aus seiner Manteltasche und öffnete die schwere Holztür. Er schob Viola vor sich her in den stockdunklen Raum. Dann zog er hinter ihnen die Tür wieder zu.
    »Woher haben Sie den Schlüssel? Wo sind wir?«, flüsterte Viola Kaumanns. Sie konnte nichts sehen, nur den Atem Krügers und seine Pistole spürte sie. Sie traute sich nicht, sich zu bewegen.
    »Das haben Sie doch gelesen, nicht wahr? Und Sie glauben gar nicht, wie leichtsinnig das Personal in so einer Klinik ist, meine Liebe. Die Schlüssel liegen überall nur so herum. Sehr unachtsam, sehr unachtsam.« Krügers Stimme klang in der Dunkelheit noch liebenswürdiger. »Gut, mein Kind, schön stehen bleiben. Wenn Sie wollen, können Sie sich auch auf den Boden setzen. Das ist bequemer. Wir werden ein bisschen hierbleiben. Ja ja ja, hierbleiben.« Seine Stimme klang nach einem Lächeln.
    Viola tastete mit einer Hand hinter sich. Sie konnte die kühle Wand des Raums spüren. Sie hätte zu gerne Licht gemacht. »Wollen wir nicht das Deckenlicht einschalten?«
    »Halten Sie mich bitte nicht für dumm, mein Kind. Sie können sicher sein, das gefällt einem alten Menschen gar nicht, wenn man seine Intelligenz unterschätzt. Nur weil der Körper alt ist, heißt das nicht,
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