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Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)

Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)

Titel: Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Mara Lang
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Ferin da, trotzdem froh, dass ihr Körper wenigstens für kurze Zeit verhüllt war.
    Die Schülerin warf das Tuch über den Balken und wandte sich dem Stoffberg auf dem Boden zu. Seelenruhig prüfte sie Kutte um Kutte auf ihre Größe. Ferin war immer noch nackt. Und sie ließen sie warten.
    In der Zwischenzeit fegte das andere Mädchen den Boden und beförderte die Zöpfe in den Kamin. Ferin musste sich räuspern, so sehr kitzelte der Gestank verkohlender Haare in ihrer Kehle. Sie kämpfte den Hustenreiz nieder. Das Mädchen stützte sich auf den Besen, ein hämisches Grinsen auf den Lippen. Sie hatte nicht den Anstand, zur Seite zu sehen.
    Ferin kreuzte die Arme ordnungsgemäß vor dem Körper, bemühte sich, ihre intimsten Stellen so gut es ging zu bedecken, und starrte ins Feuer. Sie fühlte sich erniedrigt und wünschte sich sehnlichst, den Spiegelsaal betreten zu dürfen. Hier stehen zu müssen, der Willkür der beiden Merdhugerinnen ausgesetzt, war beinahe unerträglich – eine weitere Demütigung auf der langen Liste. Hoffentlich die letzte.
    Ihre Herkunft war ihr immer wie ein Fluch erschienen. Wie alle Pheytaner trug sie auf ihrem Körper die Zeichen ihrer Abstammung: blaue, sichelförmige Male. Vor allem in ihrem Gesicht, also dankenswerterweise genau dort, wo man sie nicht unter Kleidung verstecken konnte. Zwar waren die Male klein, doch es waren unzählige. Aus der Entfernung betrachtet, lagen sie als bläuliche Schatten auf ihrer Haut. Aber damit nicht genug. Von den Augenbrauen ausgehend zog sich ein klaffender Riss über ihre Nase; tiefblaues wucherndes Gewebe, das sich bei jedem Atemzug weitete und wieder in sich zusammenfiel. Selbst ihre Lippen waren blau. Wie sehr sie ihr Aussehen hasste! Nur ihre leicht gewellten Haare, die goldbraun und damit für eine Pheytana außergewöhnlich dunkel waren, und die grünen Augen fand Ferin halbwegs passabel.
    Zu allem Unglück war ihr Vater auch noch Spiegelmacher. Dreizehn Spiegel hingen ständig in Haus und Werkstatt und gönnten ihr keinen Augenblick des Vergessens.
    Was ihr Leben aber tatsächlich zur Qual gemacht hatte, war das Gesetz: die Konvention. Es gab eine Reihe von Vorschriften für unmaskierte Pheytaner, und sie hatte schon als Kind gelernt, diese zu befolgen. Anfangs hatte sie es als ganz selbstverständlich erachtet, graue Kleidung zu tragen, den Kopf gesenkt zu halten, die Arme vor den Körper zu schlagen und in der Öffentlichkeit nicht zu sprechen. Sie war zu klein gewesen, um die näheren Zusammenhänge zu begreifen. Die eigentliche Bewandtnis der Konvention hatte sie erst viel später erkannt. Unmaskierte hatten keinerlei Rechte, sie wurden verachtet und waren von der Gesellschaft ausgeschlossen.
    Ferin hatte Fragen gestellt, die Regeln angezweifelt, sich dagegen gewehrt und zum Schluss resigniert. Erst die Maskierung ihrer älteren Schwester Hanneí vor fünf Jahren hatte ihr die Augen geöffnet. Ihr Leben als Pheytana hatte ein Ablaufdatum! Es würde nicht auf ewig so weitergehen. Mit siebzehn würde sie sich nicht mehr verstecken müssen, sie würde ein neues Gesicht erhalten – ein schönes Gesicht! –, sie würde frei sein. Sie würde eine Merdhugerin sein. Dieser Tag war heute, der Tag der Maske.
    Ferin atmete tief ein und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie sich die Schülerin weiter durch den Stapel weißer Kutten arbeitete. Sie war es leid zu warten, die vergangenen Jahre hatte sie nichts anderes getan. Tag für Tag hatte sie in ihrer Kammer verbracht und sich ihre Zukunft in den herrlichsten Farben ausgemalt. Sie wusste genau, was sie alles tun würde, wenn sie erst maskiert wäre: sich in prächtige Kleider aus Samt oder Seide hüllen, die ihren Körper umschmeichelten. Durch die Straßen schlendern, die Sonne genießen und den Wind auf der Haut fühlen. Freunde und Bekannte treffen, mit ihnen plaudern und lachen. Womöglich auf einem der Bälle im Königspalast mit jungen Männern tanzen. Den Garten am Stadtrand besuchen und den Markt. Oder die Bibliothek. Ein sachtes Lächeln stahl sich auf Ferins Lippen. Ja, das Lesen war ihr liebster Zeitvertreib.
    Am meisten aber freute sie sich darauf, endlich die wahre Ferin kennenzulernen. Wer war sie denn schon? Eine Gefangene ihres Traumes, leer und ohne Persönlichkeit, weil sie das, was sie war, nicht sein wollte. Die Maske würde das ändern.
    Welcher Mensch würde wohl aus ihr werden? Würde sie energisch sein wie ihre Mutter? Oder eher gutmütig und etwas melancholisch wie
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