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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder
Autoren: Shayol Verlag
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dir nicht verboten, meinen Raum zu betreten? Warum schließe ich wohl ab?« Langsam, um sein Bein zu schonen, ließ Rhombus sich auf einem Betonstein nieder. »Da sind Dinge drin, die dich nichts angehen!«
    »Na gut, aber –«
    »Das Teutonium«, schnaubte Rhombus verächtlich. »Dieses Teufelsmetall. Aber ich glaube, so langsam bist du alt genug, ein wenig mehr zu wissen.«
    Was er wohl zu hören bekam? Neugierig setzte sich Paul in den Schneidersitz zu seinen Füßen. »Lisa, willst du herkommen?«
    »Ich kriege schon alles mit«, antwortete sie, während sie eine fluoreszierende Blume von einem Topf in den nächstgrößeren verpflanzte.
    Sie lächelte zufrieden.
    Mit dem Daumen drückte Rhombus etwas Tabak in den Pfeifenkopf, dann entfachte er ein Zündholz, hielt es tiefer – und saugte am Mundstück, bis die Glut aufknisterte. Er blies den schweren Rauch durch die Nase, schloss träge die Augen.
    »Am Ende des letzten Jahrhunderts wurde es zufällig von einem Geologen entdeckt. Im Boden schaut es aus wie gewöhnliches Erz. Kippt man beides in den Hochofen, entsteht nur das stinknormale Roheisen ohne spezielle Eigenschaften. Kannst du mir folgen, Bursche?«
    Paul nickte. Dann schob er die Handflächen seitlich, um den Rücken abzustützen, und schaute den Alten an.
    »Man braucht also Teutonium in Reinform, ohne Verunreinigungen durch andere Metalle – und auch ein anderes Schmelzverfahren, das seine wahren Kräfte weckt. Und jetzt willst du sicher wissen, welche das denn sind …«
    »Spann mich nicht auf die Folter«, sagte Paul. Seine Wangen glühten. »Was war so Besonderes daran?«
    »Du kennst doch Magneten? Ich hab dir mal einen gezeigt. Das Teutonium ist ähnlich, nur viel, viel stärker: Ein, ja, unsichtbares Feld schwebt über dem Metall – es fühlt sich wie ein Luftpolster an; nur mit ruhiger Hand kann man hindurch greifen und die Oberfläche anfassen. Aber wenn man es mit Kugeln oder einer Granate beschießt, prallen die Geschosse einfach davon ab … paff! Ein hübsches Feuerwerk gibt das; und mit Quarz gemischt kann man sogar Fenster draus machen.«
    Paul zog Luft durch die Zähne und pfiff. »Du meinst …«
    »Jawohl«, bestätigte der Alte, setzte die Pfeife an und rauchte. »Erst haben sie Flugzeuge gebaut, um den Flakkanonen eins auszuwischen. Unsere Hübsche hier, die war Altmetall, als der erste Teutoniumbomber kam, um seine Fracht abzuwerfen. Phosphor, schreckliches Zeug. Das Gerberviertel ist abgebrannt damals; man konnte die Feuer nicht löschen.«
    Rhombus setzte die Pfeife ab.
    »Na, so richtig schlimm ist es aber an der Front gewesen. Die alten Kriegswaffen aus Stahl haben wir ja noch geknackt, aber als dann Artillerien und auch die Tanks aus Teutonium waren … Um diese Monster zu kriegen, musste man schon dicht ran: denen auf den Pelz rücken und fettbeschmierte Haftgranaten anbringen, sonst half da nichts; die Tellerminen im Boden noch, auch wenn oft nur die Panzerketten zerbrachen. Ein feines Morden hat das gegeben, mein Junge; so viele Soldaten, die bei den letzten Großangriffen auf den Feldern totgeschossen wurden, nur um ein paar lumpige Maschinen zu sprengen. Da grub man sich lieber ein wie ein Maulwurf und blieb im Schützengraben hängen, bis sich dann überhaupt nichts mehr regte. Furchtbar ist das gewesen. Stille über dem Land. Sie haben zwar neues Spielzeug für uns Soldaten gemacht, ein Panzerhemd aus Teutonium oder gleich die Büchse, wie sie im Graben hieß, eine Art Ritterrüstung. Weißt du, was das ist?«
    »Die kenne ich«, sagte Paul, der auf seinem Hintern hin und her rutschte. »Standen in Burgen herum.« Wo hatte er die gesehen? In einem Märchenbuch?
    Rhombus schnaufte. »Der modernste Krieg, den die Welt gesehen hat, und wir, die Frontschweine, stapften im Harnisch durch die Bombentrichter. Ein Witz war das! Und nutzlos obendrein, weil einen das schwere Gerät in den Schlamm runterzog oder Schrapnelle zwischen die Platten pfiffen; und wenn erst Feuer oder Ätzgas wehte …«
    Ehe er weitersprach, ließ Rhombus seinen Blick über die Plattform gleiten: Lisa hatte die Gemüsebeete verlassen, um Kleidung von einer Leine zu holen; neben dem Wäschekorb spielte Ludwig mit einer alten grauen Wollsocke.
    »Nun ja, wie dem auch sei. Eine Weile blieben die Fronten wie eingefroren, bis der Feind uns endlich das Remis anbot, wie man beim Schach so sagt, wenn es keinen Sinn hat, die Partie überhaupt noch weiterzuspielen. Tja. Und ohne Sieger war der Krieg dann
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