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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder
Autoren: Shayol Verlag
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vorbei gewesen. Meine Güte, was haben wir Soldaten geflucht: tausende Kameraden verloren, für nichts und wieder nichts. Alle tot. Das war schon was …«
    ***
    »Erzähl mir doch mehr«, bat Paul, weil Rhombus eine Weile nur schweigend dagesessen hatte, dicke Wolken paffend, bis das Kraut ganz verkohlt war. »Wann wurden die Kuppeln gebaut?« Kurz warf er einen Blick nach oben: Kaum Licht drang heute durch die Asche. An manchen Tagen fiel Kondenswasser, das sich an den Scheiben sammelte.
    »Ach, das willst du auch noch wissen«, murrte Rhombus und klopfte Asche aus dem Pfeifenkopf, worauf er neuen Tabak aus der Dose zupfte. »Bloß weil du gestern den Orden gekriegt hast, glaub nicht, dass ich dir alles hinlege.«
    »Aber ich will es jetzt hören«, drängte Paul und setzte sich aufrecht hin. Nie erklärte der Alte etwas: Warum die ganzen Leute tot waren, seine Eltern und alle, und weshalb sie das Lichtwerk bauten. Gemein war das!
    »Bengel, ruhig. Das ist zu schwer für dich.«
    »Denkst du, ich bin dumm?« Paul klang, als ob er Treppen hochgerannt wäre. »Der kleine blöde Junge, der immer deine Sachen herholt. Aber weißt du was? Das will ich gar nicht mehr machen!« Er schluckte, als ihm die Tränen kamen; schnell mit dem Ärmel abgewischt.
    »Schon gut, Paul.« Unbemerkt hatte Lisa die Wäscheleine verlassen und stand nun dicht bei ihm, den Korb an ihren Bauch gedrückt. Zu Rhombus gewandt, sagte sie: »Du hast doch selbst gesagt, dass er groß genug ist.«
    »Zu schwierig, Mädchen.«
    »Ist es nicht. Und das weißt du auch.«
    Rhombus ließ die Schultern hängen.
    »Komm schon«, sagte Lisa lächelnd und stupste ihn mit dem Knie an. »Jetzt gib dir einen Ruck.«
    ***
    »Nun denn.« Das Auge klackerte im Gehäuse, sobald er Paul, dann Lisa ansah: Beide nickten ihm aufmunternd zu. Also schob er seine Pfeife in den Mund, holte ein Zündholz aus der Tasche – und nachdem der Tabak brannte, fuhr er fort:
    »Zähneknirschend wurden die Fronten geräumt, und wir sind nach Hause. Ein paar traurige Paraden haben sie abgehalten, ein paar Denkmäler gebaut, und dann kam der Wiederaufbau. Dem Feind hatte man nicht viel zu sagen, es gab ja keinen echten Verlierer, und so musste auch niemand auf gut Wetter machen und Kriegsschulden tilgen oder den Witwen und Waisen das Brot in den Rachen stopfen. Natürlich war der Zorn noch lange nicht weg, auch wenn der Kaiser und die Herren Generäle von Reue und Frieden daherschwafelten, aber im Volk brodelte es ganz gewaltig: Nach Rache und Vergeltung schrien sie in den Wirtsstuben und schlugen mit der Faust auf den Tisch. Die Ehre retten! Aber keiner wusste, wie das angehen sollte … Der Krieg hatte sich selbst aufgefressen.«
    »Das war ganz leicht«, strahlte Paul und schnipste mit den Fingern, um den Hund herbeizurufen – und Ludwig trottete los, die zerfetzte Socke im Maul.
    Rhombus schaute verärgert drein. »Sei still und stell die Lauscher auf.«
    »Aber ich hab doch bloß –«
    »Und dann!«, Rhombus Mundwinkel zuckten, »ging eines Tages das Gespenst von der Bombe um. Die ganzen Gerüchte, auf die man natürlich nichts gab, alles nur Waschweibgeschwätz und feindliche Propaganda, was auch immer; machte den Leuten trotzdem eine Heidenangst. Sie sollte anders sein als alle anderen Waffen, die wir kannten; könne die ganze Welt aus den Angeln heben, mit einer rätselhaften Kraft, vor der man selbst im tiefsten Bunker nicht mehr sicher ist. Alsbald tauchten Photographien auf, unscharfe Bilder, die unter der Hand herumgezeigt wurden, von Industrien und diesen neuen Raketenstützpunkten, wo sie angeblich hergestellt werden sollte. Dann stand es in der Zeitung und kam im Rundfunk, und plötzlich war es offiziell: Der Feind baute eine Überwaffe, um uns mit einem gezielten Schlag ein für allemal auszulöschen und –«
    »… dann wurden die Kuppeln gebaut!«, platzte es aus Paul heraus; er schlug die Hände vor den Mund.
    »Unterbrich mich nicht, verdammt noch eins«, donnerte Rhombus, dass Paul den Kopf einzog. »Weh dir, du spielst mit deinem Leben, Freundchen.«
    »Du alter Griesgram.« Lisa kicherte leise, presste den Korb an die Hüfte.
    »Ihr raubt mir den letzten Nerv, ihr zwei.«
    »Ist dir nicht gut?«, wollte sie wissen.
    »Mein Bein, es schmerzt so.« Rauch quoll aus seinem Mund, als Rhombus den Pfeifenstiel herauszog. Er räusperte sich. »Ob es jetzt vorausschauend oder weise war oder ob unser Kaiser einen Hau weg hatte, unsere Städte unter die Kuppeln zu
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