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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love
Autoren: Christine Grän
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Kurs liegt zurzeit bei fünftausend, wenn ich richtig informiert bin.«
    Rosamunde fängt an zu lachen und schlägt sich dabei mit der Hand auf die Schenkel, sodass die Seide ihres violetten Kostüms knistert. Die Farbe ist auf die Haarsträhne abgestimmt. »Sie sind gut. Sie gefallen mir. Nein, so viel ist mir X nicht wert. Er ist einfach nur lästig. Ich möchte, dass Sie ihn beobachten, etwas über ihn herausfinden und ihn damit konfrontieren, verbunden mit der Forderung, mir künftig aus dem Weg zu gehen. Das ist doch nicht so schwer, oder?«
    »Und wenn ich nichts finde?«
    »Jeder hat Dreck am Stecken. Das müssten Sie doch am besten wissen.«
    Du auch, denkt Anna. Du weißt es, weil du den Dreck sehr gut kennst und vielleicht sogar magst. Zu den gängigen Vorurteilen eines Proletarierkindes gehört, dass diejenigen, die es von unten nach oben geschafft haben, nicht gänzlich rein bleiben können. Entweder du kriechst durch einschlägige Körperteile, oder du bedienst dich derselben. Hat einer einmal zu Anna gesagt, und sie hat seinen Namen vergessen. Absichtlich?
    Ihr Gegenüber wippt ungeduldig mit den Füßen, die in goldfarbenen Schuhen stecken. Sie sind von der Art, die man nicht trägt, sondern die einen tragen. Neid ist ein Gefühl, das Anna selten an sich zulässt, weil es weder tragisch noch komisch ist, nur bitter. Aber bei Schuhen hört die Selbstdisziplin auf. Wenn sie reich wäre, würde sie auch solches Fußwerk tragen. Was zumindest in Ansätzen dafür spräche, den Auftrag anzunehmen.
    »Können Sie sich mal entscheiden? Ich hab nicht ewig Zeit.« Rosis Ton ist scharf, doch sie lächelt, vielleicht weil sie weiß, dass sie gewonnen hat. Das Geld liegt auf dem Schreibtisch, und Anna muss nur die Hand ausstrecken. Ihr Instinkt sagt ihr, dass sie besser eine Zigarette rauchen oder die Hände in die Hosentasche stecken sollte. Ihr Instinkt hat sie schon ein paar Mal getrogen. Zuletzt, als sie versuchte, einen Finanzberater mit dem Knie außer Gefecht zu setzen. Sie sieht noch einmal auf das Objekt ihrer Begierde, die goldenen Schuhe. Dann streckt sie die Hand aus.

3. Kapitel
     
     
     
    Berlin ist voller Hunde. Die meisten sehen aus wie Hamburger auf Beinen. Sie fühlen sich zu Schnüfflern hingezogen, wenn diese auf Parkbänken sitzen, rauchen und vorgeben, eine Zeitung zu lesen. »Geh weg«, sagt Anna zu dem Köter, der an ihrem Schuh leckt. Vielleicht ein chinesischer Hund? Ein Fußfetischist? Sie tritt ihn sanft mit der Schuhspitze, weil er ihr nicht zuhört, und die dazugehörige Person scheint nur auf diesen minderschweren Fall von Tierquälerei gewartet zu haben, um aufzutauchen und Anna zu beschimpfen.
    »Sadistin« ist eines der Worte, die fallen, und Frauchen nimmt ihr Tier auf den Arm, um es vor weiteren Tritten zu schützen. Es kläfft, nun, da es oben ist, in diesen schrillen Tönen kleiner Rassen, und Anna fühlt, dass ihre Liebe zu Mensch und Tier wieder auf die Probe gestellt wird. Sie nimmt ihre Brille ab, präsentiert ihr violettes Auge und übertönt die beiden Kläffer: »Wenn Sie nicht sofort mit Ihrem Vieh verschwinden, verpass ich ihm auch so was.«
    Die Frau sieht Anna erschrocken an. Sie verstummt fast synchron mit »Attila« oder wie immer sie ihn nennt, und entschwindet, Hund auf dem Arm, in den Park. Man hört noch leises Schimpfen, dann ist sie hinter den Kastanienbäumen verschwunden.
    Na bitte, geht doch, sagt Anna zu sich selbst, bevor sie ihre Brille wieder aufsetzt. Den beiden hat sie es gezeigt, und manchmal tut es gut zu gewinnen, auch wenn es nicht gut war. Sie ist keine aktive Tierfreundin, könnte aber andererseits keiner Fliege etwas zuleide tun.
    Rosi Stark ist von anderer Qualität, davon ist Anna überzeugt. Gegen Ende ihres Besuchs, nachdem Anna das Geld eingesteckt und quittiert hatte, setzte sich eine Fliege auf das Papier mit ihrer Unterschrift. Saß einfach nur da und dachte über das Fliegenleben nach, was auch immer. Die Produzentin nahm eine Akte vom Schreibtisch und schlug zu. Es war ein schneller, leiser Tod, und die Fliege hinterließ nur einen hässlichen Fleck auf der Quittung. In Form eines Kreuzes, so sah es Annas blühende Fantasie, und sie fragte sich, ob dies ein böses Omen war. Sie ist nicht abergläubisch, kaum, und ihre Glückszahl ist null. So schön rund und unteilbar, und sie macht sich gut auf Geldscheinen.
    Das Leben besteht zum großen Teil aus Warten. Warten auf den Schlaf, den nächsten Tag, das Essen, das Glück, die Liebe,
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