Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Autoren: Jean-Claude Izzo
Vom Netzwerk:
Innenräume waren neu gemacht, sie wirkten kalt. Statt der Bilder hingen Reproduktionen an den Wänden. Zum Kotzen. Vielleicht war es besser so. So konnte er seine Erinnerungen auf Distanz halten.
    Er ging zum Tresen und bestellte einen Pastis. Im Saal saß ein Paar, eine Prostituierte und ihr Zuhälter. Aber er konnte sich auch täuschen. Sie diskutierten lebhaft, mit leiser Stimme. Er stützte einen Ellenbogen auf die nagelneue Theke und beobachtete den Eingang.
    Die Minuten vergingen. Niemand kam. Er bestellte noch einen Pastis. Man hörte: »Hurensohn.« Ein hartes Geräusch. Die Blicke wanderten zu dem Paar. Stille. Die Frau rannte hinaus. Der Mann stand auf, legte einen Fünfzig-Francs-Schein auf den Tisch und folgte ihr.
    Auf der Terrasse faltete ein Mann seine Zeitung zusammen. Er war in den Sechzigern, hatte eine Seemannsmütze auf dem Kopf, trug eine blaue Leinenhose, darüber ein weißes, kurzärmliges Hemd und blaue Espadrilles. Er stand auf und ging auf ihn zu. Batisti.
    Er verbrachte den Nachmittag damit, die Gegend auszukundschaf - ten. Monsieur Charles, wie er in der Szene genannt wurde, wohnte in einer der stattlichen Villen über der Corniche. Erstaunliche Villen mit Glockentürmchen oder Säulen und Gärten mit Palmen, Oleander und Feigenbäumen. Nach dem Verlassen der Roucas Blanc, der Straße, die sich um den kleinen Hügel schlängelt, gelangt man in ein Geflecht von zum Teil kaum geteerten Gassen. Bis zur Place des Pilotes am oberen Ende der letzten Steigung hatte er den Bus genommen, den 55er. Dann war er zu Fuß weitergegangen.
    Er hatte die Reede unter sich. Von L'Estaque bis zur Pointe-Rouge. Die Frioul-Inseln, das Château d'If. Marseille auf Breitleinwand. Eine Schönheit. Er näherte sich dem Abstieg zum Meer. Er war nur noch zwei Villen von Zuccas Domizil entfernt.
    Er sah auf die Uhr. 16.58 Uhr. Die Gittertore der Villa öffneten sich. Ein schwarzer Mercedes tauchte auf, hielt an. Er ging an der Villa und dem Mercedes vorbei und weiter bis zur Kreuzung der Rue des Espérettes und der Roucas Blanc. Er überquerte die Straße. Noch zehn Schritte bis zur Bushaltestelle. Laut Fahrplan kam der 55er um 17.05 Uhr. Er sah auf die Uhr. Dann lehnte er sich an den Pfosten und wartete.
    Der Mercedes fuhr rückwärts an den Bürgersteig heran und blieb stehen. Der Chauffeur und noch ein Mann saßen drin. Zucca erschien. Er musste um die siebzig sein, herausgeputzt wie ein alter Ganove, Strohhut inbegriffen. An der Leine hatte er einen weißen Pudel. Dem Hund hinterher stieg er bis zur Fußgängerzone der Rue des Espérettes hinab. Er hielt an. Der Bus kam. Zucca überquerte die Straße. Jetzt war er auf der schattigen Seite. Dann ging er die Roucas Blanc hinunter, an der Bushaltestelle vorbei. Der Mercedes fuhr los, im Schritttempo.
    Batistis Auskünfte waren ihre fünfzigtausend Francs wert. Er hatte ihn bis ins Detail eingewiesen. Nicht eine Kleinigkeit fehlte. Zucca machte diesen Spaziergang jeden Tag außer sonntags, wenn er seine Familie empfing. Um achtzehn Uhr brachte der Mercedes ihn wieder zur Villa. Aber Batisti wusste nicht, warum Zucca Manu zur Verantwortung gezogen hatte. In dieser Frage war er nicht weiterge - kommen. Es musste einen Zusammenhang mit dem Einbruch bei dem Anwalt geben. Das war ihm klar. Aber um ehrlich zu sein, es war ihm scheißegal. Einzig und allein Zucca interessierte ihn. Monsieur Charles.
    Er fürchtete sich vor diesen ehemaligen Ganoven. Mit Bullen und Justizbeamten auf Du und Du, entgingen sie jeder Strafe. Sie waren stolz und herablassend. Zucca hatte eine Visage wie Brando in Der Pate. So eine Visage hatten sie alle. Hier, in Palermo, in Chicago. Auf der ganzen Welt. Und er hatte jetzt einen im Visier. Er würde einen umlegen. Aus Freundschaft. Und um sich von seinem Hass zu befreien.
    Er wühlte in Loles Sachen. In der Kommode, im Schrank. Er war leicht betrunken zurückgekommen. Er suchte nichts Bestimmtes. Er wühlte, als könne er ein Geheimnis entdecken. Über Lole , über Manu. Aber es gab nichts zu entdecken. Das Leben war ihnen durch die Finger geronnen, schneller als die Kohle.
    In einer Schublade fand er einen Haufen Fotos. Mehr war ihnen nicht geblieben. Es war zum Verzweifeln. Fast hätte er alles in den Müll geschmissen. Aber da waren diese drei Fotos. Dreimal das gleiche. Zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Manu und er. Lole und Manu. Lole und er. Es war am Anfang der großen Mole, hinter dem Handelshafen. Um dorthin zu gelangen, mussten sie die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher