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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Aufmerk - samkeit der Wachen ablenken. Darin waren wir gut, dachte er. Hinter ihnen lag die Stadt. Am Horizont die Inseln. Ihr kamt aus dem Wasser. Außer Atem, glücklich. Ihr konntet euch nicht an den Schiffen sattsehen, die bei Sonnenuntergang hinausfuhren. Lole las laut Exil von Saint-John Perse. Die Milizen des Windes im Treibsand des Exils. Auf dem Rückweg hast du Loles Hand genommen. Du hast es gewagt. Vor Manu.
    An jenem Abend habt ihr Manu in der Bar de Lenche zurückgelassen. Die Stimmung war umgekippt. Kein Lachen mehr, nicht ein Wort. Ihr trankt euren Pastis in verlegenem Schweigen. Die Lust hatte euch von Manu entfernt. Am nächsten Morgen musstet ihr ihn im Polizeirevier abholen. Dort hatte er die Nacht verbracht, weil er einen Streit mit zwei Legionären vom Zaun gebrochen hatte. Sein rechtes Auge war zugeschwollen, die Lippen dick und an einer Seite aufgeplatzt. Blaue Flecken am ganzen Körper.
    »Ich hatte keine Chance. Aber gut, was sol ls!«
    Lole küsste ihn auf die Stirn. Er drückte sich an sie und fing an zu heulen.
    »Verflucht, ist das hart«, sagte er.
    Und schlief ein, einfach so, auf Loles Knien.
    Lole weckte ihn um zehn. Er hatte fest geschlafen, erwachte aber mit einem schlechten Geschmack im Mund. Kaffeeduft erfüllte die Wohnung. Lole hatte sich auf die Bettkante gesetzt und ihn sanft an der Schulter berührt. Sie hauchte einen Kuss auf seine Stirn, dann seinen Mund. Einen flüchtigen, zärtlichen Kuss. Wenn es das Glück gab, hatte es ihn soeben gestreift.
    »Ich hatte ganz vergessen ...«
    »Wenn das stimmt, hau sofort ab!«
    Sie reichte ihm eine Tasse Kaffee und stand auf, um ihre zu holen. Sie lächelte, glücklich. Als sei der Kummer nicht mit erwacht.
    »Willst du dich nicht setzen. Wie eben.«
    »Ich trinke meinen Kaffee ...«
    »... im Stehen, ich weiß.«
    Sie lächelte noch immer. Er konnte sich nicht von diesem Lächeln, diesem Mund losreißen. Er klammerte sich an ihre Augen. Sie leuch - teten, wie in jener Nacht. Du hattest dein T-Shirt ausgezogen, dann dein Hemd. Eure Bäuche klebten aneinander, und ihr bliebt so, ohne zu sprechen. Nur euer Atem. Und ihre Augen, die dich nicht los - ließen.
    »Du wirst mich nie verlassen.«
    Du hast geschworen.
    Aber du bist gegangen. Manu ist geblieben. Und Lole hat gewartet. Aber vielleicht war Manu nur geblieben, um auf Lole Acht zu geben. Und Lole ist dir nicht gefolgt, weil es ihr ungerecht schien, Manu zu verlassen. Seit Manus Tod legte er sich solche Gedanken zurecht. Denn er musste zurückkehren. Da war er. Marseille — das kam immer wieder hoch. Und Lole , als Nachgeschmack.
    Loles Augen leuchteten noch stärker, von einer zurückgehaltenen Träne. Sie ahnte, dass er etwas ausheckte und dass dieses Etwas ihr Leben verändern würde. Sie hatte die Vorahnung nach der Beer - digung Manus gehabt. In den Stunden, die sie mit Fabio verbracht hatte. Sie hatte ein Gespür für so etwas. Sie spürte auch Dramen im Voraus. Aber sie würde nichts sagen. Es war seine Sache zu reden.
    Er fischte nach dem Packpapierumschlag neben seinem Bett.
    »Das ist eine Fahrkarte nach Paris. Für heute, den T.G.V. um 13.54 Uhr. Das ist ein Ticket von der Gepäckaufbewahrung, am Bahnhof von Lyon. Dieses ist für den Bahnhof von Montparnasse. Zwei Koffer sind abzuholen. In jedem liegen unter alten Klamotten hunderttausend Francs. Das ist die Postkarte eines sehr guten Res - taurants in Port-Mer, bei Cancale, in der Bretagne. Auf der Rückseite steht Marines Telefonnummer, ein Kontakt. Du kannst sie alles fragen. Aber handle nie einen Preis für ihre Dienste aus. Ich habe dir ein Zimmer im Hôtel des Marronniers in der Rue Jacob reserviert. Auf deinen Namen, für fünf Nächte. An der Rezeption liegt ein Brief für dich.«
    Sie hatte sich nicht gerührt. Wie erstarrt. Langsam war jeder Ausdruck aus ihren Augen gewichen. Ihr Blick war leer. »Kann ich ein Wort zu alledem sagen?«
    »Nein.«
    »Ist das alles, was du mir zu sagen hast?«
    Für das, was er zu sagen hatte, hätte er Jahrhunderte gebraucht. Er konnte es in zwei Sätzen zusammenfassen. Es tut mir Leid. Ich liebe dich. Aber ihre Zeit war abgelaufen. Oder besser gesagt, die Zeit war an ihnen vorbeigegangen. Die Zukunft lag hinter ihnen. Vor ihnen lagen nur noch Erinnerungen. Bedauern. Er sah zu ihr auf, so distanziert wie möglich.
    »Mach dein Bankkonto leer. Vernichte deine Kreditkarte und dein Scheckheft. Ändere deine Identität so schnell wie möglich. Marine wird sich darum
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