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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Schluchten östlich der Strecke als Latrinen benutzt werden sollten. Man war schon weit genug nach oben gestiegen, daß die Leute oft anhielten, um in die eigenartig leere Stadt hinunterzuschauen mit ihrem neuen Burggraben von rostigem, von Eis verstopftem Wasser. Gruppen Eingeborener sangen beim Gehen Teile der Areophanie. Als Nadia das hörte, krampfte sich ihr Herz zusammen. Sie murmelte: »Verdammt, Hiroko! Komm heraus, komm noch heute heraus!«
    Sie entdeckte Art und ging zu ihm hinüber. Er gab über das Armband einen laufenden Kommentar, den er offenbar einer Nachrichtengesellschaft auf der Erde übermittelte. »O ja«, sagte er schnell beiseite, als Nadia ihn danach fragte. »Wir sind live. Auch wirklich gutes Video. Da bin ich sicher. Und sie können das Szenario der Flut weitergeben.«
    Ohne Zweifel. Die Stadt mit ihren Mesas, jetzt von schwarzem, mit Eis verstopftem Wasser umgeben, das leicht dampfte. Die Oberfläche war aufgewirbelt, die Ränder sprudelten heftig durch Karbonisierung, wenn Wellen, die einen Lärm machten wie ein schwerer Sturm, von Norden her aufbrandeten ... Die Lufttemperatur lag jetzt gerade über dem Gefrierpunkt, und das ansteigende Wasser blieb flüssig, selbst wenn es von Treibeisstücken bedeckt war. Nadia hatte noch nie etwas gesehen, das ihr deutlicher die Tatsache verriet, daß sie die Atmosphäre umgestaltet hatten - weder die Pflanzen noch das Blau des Himmels noch auch ihre Fähigkeit, die Augen frei zu halten und durch dünne Masken zu atmen. Der Anblick des Wassers, das während der Überschwemmung von Marineris gefror, wobei es in zwanzig Sekunden oder weniger von Schwarz zu Weiß wurde, hatte sie tiefer geprägt, als sie wußte. Jetzt hatten sie offenes Wasser. Die niedrige breite Bruchstelle, die Burroughs festhielt, sah wie eine gargantuanische Meeresbucht aus, die von der Flut aufgerissen wurde.
     
    Die Leute stießen Rufe aus. Ihre Stimmen füllten die dünne Luft wie Vogelgesang über dem tiefen Continuo der Flut. Nadia wußte nicht, warum. Dann sah sie es - am Raumhafen gab es Bewegung.
    Der Raumhafen lag auf einem breiten Plateau nordwestlich der Stadt; und auf ihrer jetzigen Höhe auf dem Abhang konnte die Bevölkerung von Burroughs da stehen und zusehen, wie sich die großen Tore des größten Hangars öffneten und fünf riesige Raumflugzeuge nacheinander herausrollten. Ein ominöser und irgendwie militärischer Anblick. Die Flugzeuge rollten zum Hauptterminal des Hafens, und Landebrücken fuhren aus und rasteten an ihren Seiten ein. Es ereignete sich nichts weiter, und die Flüchtlinge gingen fast eine Stunde lang auf die ersten richtigen Berge der Großen Böschung zu, bis trotz der Höhe die Rollbahnen des Raumhafens und die unteren Hälften der Hangars unter dem wässerigen Horizont lagen. Die Sonne stand inzwischen im Westen.
    Die Aufmerksamkeit richtete sich auf die Stadt selbst, als das Wasser die Kuppelmauer auf der Ostseite von Burroughs aufriß und über deren Krone am Südwesttor strömte, wo sie den Stoff zerschnitten hatten. Bald danach überflutete es den Princess Park, Kanalpark und das Niederdorf, teilte die Stadt damit in zwei Teile und stieg langsam die Seitenboulevards empor, um die Dächer im unteren Teil der Stadt zu bedecken.
    Mitten in diesem Schauspiel erschien einer der großen Jets am Himmel über dem Plateau. Er schien zum Fliegen viel zu langsam zu sein, wie es bei großen Flugzeugen in Bodennähe immer zu sein pflegt. Er war in Richtung Süden gestartet. Darum wurde er für die Zuschauer auf dem Boden ständig größer, ohne anscheinend an Tempo zu gewinnen, bis das tiefe Brummen der Motoren sie erreichte und die Maschine über ihre Köpfe pflügte mit der langsamen unmöglichen Schwerfälligkeit einer Hummel. Als sie nach Westen dahinrumpelte, erschien die nächste über dem Raumhafen und wandte sich an der von Wasser überschwemmten Stadt vorbei und über die Leute gen Westen. Und eins folgte dem anderen, und alle sahen gleichermaßen aerodynamisch aus, bis das letzte an ihnen vorbei am westlichen Horizont verschwunden war.
    Jetzt fingen sie an, ernsthaft zu marschieren. Die schnellsten Geher machten sich davon, ohne zu versuchen, mit den langsameren zurückzubleiben. Es war wichtig, die Leute möglichst schnell vom Libya-Bahnhof fortzuschaffen. Das war allen klar. Von allen Seiten waren Züge nach Libya unterwegs, aber der Bahnhof war klein und hatte nur ein paar Rangiergleise; darum würde die Choreographie der Evakuierung
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