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Marlon, die Nummer 10

Marlon, die Nummer 10

Titel: Marlon, die Nummer 10
Autoren: Joachim Masannek
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endlich durch die Bäume hindurch sehen konnten, fehlte von ihm jede Spur. Wir mussten noch schneller werden, doch der Weg machte jetzt einen Knick. Er entfernte sich von Straße und führte zurück in den Wald. Das war ein Umweg und der kostete uns viel zu viel Zeit.
    „Rocce!“, schrie ich. „Wir müssen runter vom Weg!“
    Doch der Brasilianer, der vor mir fuhr, hörte mich nicht. Oder vielleicht hatte er Angst. Auf jeden Fall blieb er brav auf dem Weg. Da riss ich mein Lenkrad herum.
    „Rocce!“, schrie ich noch mal. „Rocce! Komm mit!“
    Ich sprang vom Weg und ratterte durch das Brennnesseldickicht hindurch. Die Räder meines Panthers schlugen auf dem Waldboden auf. Die Federbeine wurden von den Wurzeln gestaucht. Zwei mächtige Buchen schossen direkt auf mich zu. Ich griff in mein Lenkrad. Ich wich dem rechten Baum im letzten Augenblick aus und raste zwischen den Stämmen der beiden Buchen durch.

    „Puh!“, stöhnte ich. „Das war verflixt noch mal knapp!“ Doch dann gab ich Gas. Ich raste, hüpfte und sprang durch den Wald. Die Bäume bäumten sich über mir auf. Sie wurden zu riesigen, dunklen Schatten. Ihre Äste und Wurzeln griffen nach mir. Baumstümpfe versperrten mir heimtückisch und hinterlistig den Weg. Es war wie ein Alptraum, in dem ich aufgewacht war. Meine Hände verkrampften am Lenkrad. Ich lauschte in mich hinein und sehnte mich nach der Musik. Nach meiner Intuition. Doch die besaß ich nicht mehr. Die hatte ich irgendwo in den letzten Wochen verloren. Da sah ich etwas aus den Augenwinkeln heraus. Etwas Dunkles schoss auf mich zu. Ich bekam Angst. Würde jetzt schon wieder etwas passieren? Musste ich wieder ins Krankenhaus?
    Da schloss Rocce neben mir auf.
    „Wow! Ist das wild!“, lachte er. „Und guck doch, da vorn. Ja, da auf der Straße, da fährt mein Vater. Marlon! Wir haben ihn eingeholt!“
    Ich schaute nach vorn. Ich spähte durch das Dickicht der Bäume hindurch. Ja, und dann sah ich sie auch. Die Limousine rollte vor uns über die Straße. Sie war höchstens noch hundert Meter von uns entfernt. Rocces Lachen steckte mich an. Ich verlor meine Angst und Seite an Seite rasten wir durch den Wald. Wir holten immer mehr auf und hatten Rocces Vater fast schon erreicht, als die Kreuzung auftauchte. Von hier führte die Grünwalder Straße direkt in die Stadt und hier war der Wald auch zu Ende. Ab hier konnten wir Rocces Vater nicht mehr verfolgen und die Ampel an der Kreuzung sprang auch noch auf Grün. Die Limousine rollte jetzt über die Kreuzung. Sie bog nach rechts ab. Da gaben wir Gas. Wir holten alles aus den Panthern heraus. Wir sprangen aus dem Wald und landeten auf der Straße, schossen rechts und links an der Limousine vorbei, stiegen in die Bremsen, wirbelten unsere Gokarts herum und brachten sie Seite an Seite vor dem Wagen von Rocces Vater zum Stand.
    Der bremste überrascht ab. Er musterte uns und dann verdunkelte sich sein Gesicht. Er schaute uns an wie damals bei unserer ersten Begegnung, als er Rocce zur Schule gebracht und ihm verboten hatte, bei den Wilden Fußballkerle n zu spielen. Doch damals hatten wir ihn überzeugt und deshalb hatte ich jetzt keine Angst. Ich wartete nur darauf, dass er aus seinem Wagen stieg und dann kletterte auch ich aus dem Kart.
    Wie zwei Revolverhelden standen wir uns jetzt gegenüber.
    „Hallo, Marlon!“, begrüßte er mich. „Du bist also wieder gesund.“
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist nur mein Bein. Mein Bein und mein Knie. Die sind wieder gesund.“

    „Ich verstehe“, nickte Ribaldo. „Aber trotzdem: Das gibt dir kein Recht, so zu handeln. Das gibt dir kein Recht, mein Verbot zu missachten, die Karts aus der Garage zu holen und mich zu verfolgen.“
    Seine Stimme wurde immer dunkler und drohender und ich musste all meinen Mut aufbringen, um ihr Paroli zu bieten.
    „Da haben Sie Recht“, schluckte ich. „Das durfte ich nicht. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich musste alles versuchen, damit Rocce hier bleiben kann.“
    Jetzt huschte ein kaltes Lächeln über Ribaldos Gesicht. Es war so kalt wie die Eiswüste, in der ich so lange gewesen war.
    „Und was hat das gebracht?“, fragte er mich. „Glaubst du wirklich, dass ich wegen zweier kleiner Jungs meine Pläne über den Haufen werfe? Marlon, hier geht es um Geld. Um das Geld, das ich in den letzten paar Jahren, die mir als Fußballer noch bleiben, verdienen kann. Hier geht es um meine Karriere und um die Zeit danach. Hier geht es um mein Leben,
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