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Mark Bredemeyer

Mark Bredemeyer

Titel: Mark Bredemeyer
Autoren: Runenzeit 1- Im Feuer der Chauken (German Edition)
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der Hagedisen davon und die Runen raunten ihre Bestätigung hierzu. Odalinda von den Cheruskern, eine der Alten mit wehenden schlohweißen Haaren, hob jetzt mit tiefer Stimme einen leiernden Gesang an und die anderen stimmten ein. Ihre leere Augenhöhle schimmerte silbern im Schein des Mondlichts. Das Feuer brodelte dabei und sein Knacken und Bersten gab die Melodie zu dem Gesang vor. Irgendwo aus der Ferne war das Heulen eines Wolfes zu vernehmen, doch dies kümmerte die Gruppe nicht.
    Mit einem lauten Krachen zerplatzte im brennenden Holz eine Luftkammer und ein mächtiger glühender Funke schoss einer der Zauberinnen an den freiliegenden Hals.
    Der Gesang verstummte und alle hielten inne – auch die Frau, die von dem Funken getroffen worden war. Es war Thiokwala, eine vom Stamm der Angrivarier. Ihre wilde, graue Haarmähne kündete von ihrem stolzen Alter und wehte nun leicht in einer aufkommenden Brise. Sie verzog keine Miene, trotz der schmerzhaften kleinen Brandwunde, die sich sofort rötlich auf ihrer Haut abzeichnete.
    Die Entscheidung war soeben gefallen: Diese Frau würde das höchste aller Opfer darbringen! Sie würde ins Feuer gehen, die Reise in die Welt des Schlangenkämpfers antreten und damit den Zauber vollenden. Sie trug die unvorstellbar große Verantwortung dafür, die Weltenwanderer herzuholen – ihnen den Weg zu bereiten, sie zu besprechen, wenn es sein musste. Das Schicksal der Welten lag in ihren Händen, ihren Zauberkräften, ihren Fertigkeiten im Umgang mit den Zauberzeichen, den Runen. So hatte der Feurige, der Trickser, der Lodernde gerade entschieden. Und sie würden dem Zeichen der Götter folgen!
    Nun wussten sie, was noch zu tun war, und die Vorbereitungen für den letzten Teil der tagelangen Zeremonie begannen.
    Zwei der Frauen nahmen die Auserwählte und setzten sich mit ihr an die Seite. Sie füllten die Tonschale mit einer Flüssigkeit aus einem abseits stehenden irdenen Krug und gaben ihr davon zu trinken. Schweigend hockten sie danach beisammen. Die anderen nahmen lange eiserne Schürhaken, die im Gras gelegen hatten, und begannen, das Feuer zu bearbeiten. Sie zogen und stießen die brennenden Scheite, bis das Feuer praktisch zweigeteilt war. Dann stellten sie sich in zwei Reihen auf und warteten darauf, dass die beiden Frauen mit der Auserwählten zu ihnen stießen. Gemeinsam gingen sie auf die erste der Holzfiguren zu, nahmen sie auf und warfen sie ächzend in das Feuer. Die mit den weißen Haaren erhob nun ihre Stimme und setzte zu einem Sprechgesang an, in den die anderen einfielen. Reihum beförderten sie eine Figur nach der anderen in das Feuer. Als acht von ihnen brannten und nur noch die übrig war, die bei der Auserwählten gestanden hatte, stellten sie sich im Halbkreis vor den mittlerweile doppelt mannshoch lodernden Flammen auf. Die Neunte hob ihre Arme zum Himmel und verkündete den letzten der nötigen Zauber in dem eigentümlichen leiernden Sprechgesang:
    »Nadarwinna! Zähmen wirst du den Lauf der Sonne.
Anhalten den Mond.
Feuer heißt dein Weg.
Fallen wirst du von einer Felsklippe hoch, nur den Adlern zugänglich.
Sollst im Fallen aufwachen und sehen, Gedanken und
Gedächtnis atmen.
Hunger lässt dich kriechen und Durst schreien.
Sehnsucht kann dich nicht versengen.
Begierde schüttelst du ab.
Hirschkraft und Bärenmut wachsen dir schneller als dein Haar.
Rabenklugheit und Fuchslistigkeit wachsen dir schneller als deine Nägel.
Einer Schlange gleich windest du dich durch dein Schicksal.
Sollst besprechen und heilen.
Wirst besprochen und geheilt.
Deine Feinde sättigst du mit Leid.
Deine Feinde trinken deinen Zorn.
Deine Feinde fütterst du mit Tod.
Fällst Krieger wie junge Bäume.
Wut ist deine schärfste Klinge.
Sieg heißt dein Schatten, eigenes Fleisch dein Herausforderer.
Gellender Wolf der Wölfe warst du, bist du, wirst du sein.
Die Fessel reißt, es renne der Wolf.
Sonnenglänzend Licht vertreibt die Dämmerung.
Hört es, ihr Asen! Hört es, ihr Wanen!
Vieles weiß ich, Fernes schau ich.
Der Welten Schicksal, der Welten Sturz.
Der Raterfürst [1] ritzte alte Runen.
Dachte der großen Dinge.
Wundersam ritze ich die Runen.
In neun Stäbe schneide ich die Weisheit, Kraft, Mut, Klugheit und List, Kampf, Leben, Licht und die Siegrune!«
    Die Hagedise griff an ihr Gewand und hatte plötzlich ein Eisenmesser in der Hand. Nach und nach wurden ihr kurze Holzstäbchen gereicht, in die sie die Zauberzeichen – die Runen – ritzte, um den Zauber wirksam werden zu
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