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Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri
Autoren: Mark Brandis
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Sie sich weigern, an das Glück zu glauben.«
    Einen Atemzug lang fürchtete ich tatsächlich, er würde schießen.
    Wie immer die Sache ausgehen würde, sagte ich mir, Henri Vidals Tage in diesem Camp waren gezählt. Mochte er andernorts den schneidigen Kavallerieoffizier spielen, der sich im Jahrhundert geirrt hatte! Ich konnte ihn nicht länger brauchen.
    Vidal lachte auf einmal auf und setzte sich den Revolver an die Schläfe. »Sehen Sie, Sir? Ich glaube an das Glück – und darum ist es mir treu.« Seine Augen verrieten, daß er nicht scherzte.
    »Schluß mit dem Unsinn!« sagte ich. »Sie haben mich überzeugt. Beenden Sie die Vorstellung, bevor es ein Unglück gibt!«
    Vidal ließ kurz den Revolver sinken, blickte stirnrunzelnd in die Mündung und setzte ihn dann wieder an die Schläfe.
    »O nein, Commander«, sagte er. »Sie halten mich für betrunken, für übergeschnappt – aber Sie sind alles andere als überzeugt. Ich werde Ihnen die Richtigkeit meiner Theorie beweisen. Passen Sie auf!«
    Es war nicht zu verhindern. Allenfalls hätte Jordan etwas unternehmen können, aber Jordan beschränkte sich auch weiterhin darauf, Zuschauer zu sein.
    Ein Klicken war zu hören; Vidal hatte abgedrückt. Der Schuß war nicht losgegangen.
    Ich begriff es nicht auf Anhieb.
    Vidal hatte einen geladenen Revolver an seine Schläfe gesetzt und abgedrückt – und nichts war geschehen. Erst als er schwankend aufstand und den Revolver einsteckte, vermochte ich daran zu glauben.
    »Sir«, sagte Vidal, »erlauben Sie, daß ich mich zurückziehe? Sie waren mir ein guter Diskussionspartner.«
    Sein Auftritt war beendet. Er nickte mir zu und ging mit jener Steifheit, die Betrunkene auszeichnet, auf den Ausgang zu.
    Ich verspürte keine Neigung, ihn zurückzuhalten. Vorerst war er ohnehin nicht ansprechbar. In ein paar Stunden konnte ich dann mit VEGA-Metropolis telefonieren und unter einem Vorwand seine Versetzung in die Wege leiten.
    Ich winkte Romen zu mir heran.
    »Achten Sie darauf, daß er in sein Quartier geht! Und nehmen Sie Jordan gleich mit!«
    Jordan widersetzte sich nicht. Er stand gehorsam auf, wünschte mir eine gute Nacht und ging zusammen mit Romen hinaus.
    Ich war mit meinen neuen Piloten allein und atmete auf. Wider Willen war ich von dem, was ich erlebt hatte, beeindruckt. Vidal hatte nicht geblufft. Er hatte sich auf sein Glück verlassen und einfach abgedrückt – und der verdammte Revolver war nicht losgegangen. Dafür mochte es eine ganz simple technische Erklärung geben – nur hatte Vidal das unmöglich voraussehen können. Woher bezog er diese unverschämte Zuversicht? Ich überwand meine Betroffenheit und entsann mich meiner Pflicht.
    »Nun«, sagte ich, »zum Glück geht es bei uns nicht jeden Abend so lebhaft zu. Im allgemeinen ist unser Dienst eine ziemlich eintönige Angelegenheit. Darf ich jetzt um Ihre Namen bitten, meine Herren?«
    Das Kolibri -Projekt schien unverändert hoch im Kurs zu stehen. VEGA-Metropolis hatte mir gute, erfahrene Piloten geschickt; sie alle waren aus anderen wichtigen Projekten herausgezogen worden.
    »Und nun zu unserer Arbeit!« sagte ich. »Wir erproben den Kolibri . Das ist im Grunde bereits alles. Da Sie diesen Schiffstyp bereits geflogen haben, wissen Sie, was davon zu halten ist. Er hat seine Mucken – wie jeder neue Schiffstyp. Und es hat eine Reihe von bedauerlichen Unfällen gegeben, wodurch sich die Versuche in die Länge gezogen haben. Unsere Aufgabe ist es, die Unfallursache zu ermitteln, damit der Schiffstyp endlich sein Reifezertifikat bekommt. Wenn Sie noch Fragen haben, stehe ich zu Ihrer Verfügung.«
    Ich war der verantwortliche Vorgesetzte und strahlte Gelassenheit und Selbstbewußtsein aus, obwohl ich mich kaum noch auf den Beinen zu halten vermochte. Die neuen Piloten bekamen, was ihnen zustand.
    Die Fragen, die mir gestellt wurden, waren durchweg sachbezogen, und ich beantwortete sie der Reihe nach nach bestem Wissen und Gewissen.
    Für den nächsten Tag sah der Flugplan keine Starts vor. Die Männer hatten also Zeit, sich mit ihrer neuen Umgebung vertraut zu machen. Ich entließ sie zu ihren Quartieren und machte mich auf den Heimweg.
    Vidals Fenster war erleuchtet, und das bedeutete, daß er, wenn er auch nicht schlief, wenigstens zu Hause war.
    In meinem Quartier wartete Romen auf mich. »Sir, Vidal will mit Ihnen sprechen.«
    »Jetzt?«
    »Er besteht darauf, Sir. Mir scheint, er will sich entschuldigen.«
    Eben noch war ich Commander und
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