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Mark Brandis - Raumsonde Epsilon

Mark Brandis - Raumsonde Epsilon

Titel: Mark Brandis - Raumsonde Epsilon
Autoren: Mark Brandis
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Metropolis.«
    Captain van Kerk sah mich lange an.
    »Gewiß, Sir«, sagte er dann, »gewiß, so könnte man es auslegen. Aber ist das nicht ein frommer Selbstbetrug? Ich sage dies frei heraus, weil ich für mich« – er lächelte unter Schmerzen – »gewissermaßen Narrenfreiheit in Anspruch nehme. Wir alle, Sir, machen uns – bei aller guten Absicht – die die Finger schmutzig.«
    »Ich stimme mit Ihnen überein, Captain«, erwiderte ich. »Aber sehen Sie einen Ausweg aus dieser Situation?«
    »Nein, Sir«, sagte Captain van Kerk. »Oder doch! Geben Sie acht auf Major Young!«
    »Haben Sie etwas gegen ihn vorzubringen?«
    Captain van Kerk schloß erschöpft die Augen. Er hatte sich verausgabt und benötigte Ruhe.
    »Ich traue ihm nicht, Sir ... Sir, Sie wollen schon gehen?«
    »Sie sollten etwas schlafen, Captain.«
    »Schlafen? Das hat Zeit. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir – schicken Sir mir Grischa Romen.«
    »Ich werde es ausrichten, Captain.«
    Ins Cockpit zurückgekehrt, vernahm ich bald darauf Captain van Kerks bevorzugten Musikwunsch, eine Weise aus dem neunzehnten Jahrhundert:
    Jamtschik, ni goni loschadej ...
    Kutscher, laß die Pferde ruhn!
    Es ist vorbei.
    Ich habe keinen Grund mehr zum Eilen ...
    Eintragung in das Bordbuch mit Datum vom 11. April:
    Keine besonderen Vorkommnisse. Ruhiger Flug.
    Eintragung in das Bordbuch mit Datum vom 12. April:
    Geringfügige Kurskorrektur. Die Epsilon-Bootes-Sonde scheint Einfluß zu haben auf den Bordcomputer.
    Captain van Kerk erschien überraschend im Cockpit, um einen Blick auf sie zu werfen. Danach hatte er einen Zusammenbruch.
    Eintragung in das Bordbuch mit Datum vom 13. April:
    Sonde wurde neu gekoppelt.
    Der Bordcomputer scheint es uns zu danken.
    Eintragung in das Bordbuch mit Datum vom 14. April:
    Keine besonderen Vorkommnisse ...
    Und so ging das weiter. Eine Routineeintragung reihte sich an die andere. Bis in die ersten Maitage hatten wir einen ruhigen, gleichmäßigen Flug. Es gab keine Begegnungen, weder angenehme noch unliebsame, es gab keinerlei Beanstandungen, es gab einfach nichts, was die Monotonie des Fluges unterbrochen hätte. Man gewöhnte sich sogar daran, daß Captain van Kerk im Sterben lag. Man mußte sich daran gewöhnen. Es war unabwendbar.
    Am 6. Mai erreichte mich über Lautsprecher eine Anfrage von Lieutenant Mercier: »FK an Brücke! VEGA-Metropolis will wissen, was es mit unserem Schweigen auf sich hat.«
    »Danke, FK. Haben Sie schon bestätigt?«
    »Noch nicht, Sir. Ich wußte nicht, ob Ihnen das recht sei.«
    »Gut so. Lassen Sie‘s dabei bewenden, Lieutenant!«
    »Sir!« Lieutenant Merciers Stimme klang vorwurfsvoll. »Nicht einmal ein Lebenszeichen?«
    »Nicht einmal das, Lieutenant! Die Funkstille bleibt gewahrt.«
    »Aye, aye, Sir.«
    Einige Stunden später sprach Major Young mich an. Seit ich seinen Vorschlag abgelehnt hatte, war dies das erste Mal, daß er wieder das Wort an mich richtete.
    »Commander, haben Sie wirklich vor, Metropolis bis zuletzt über unsere Position im unklaren zu halten?«
    Ich sah keinen Anlaß, ihm etwas anderes als die Wahrheit zu sagen.
    »So ist es, Major. Ein Captain d‘Arcy und ein Oberst Khan sind mir genug. Ich bin sicher, daß man in Metropolis zu gegebener Zeit Verständnis für diese Maßnahme aufbringen wird.«
    Major Young wurde wieder steif wie ein Besenstiel. »Ich halte das für unverantwortlich, Commander!«
    »Sie sind aus der Verantwortung entlassen, Major«, gab ich zurück. »Im Bordbuch ist es vermerkt.«
    Major Young biß sich auf die Lippen und verließ das Cockpit.
    Kaum daß er fort war, vergaß ich ihn. Wie es sich bald darauf herausstellte, war das ein Fehler. Auch Major Young war auf seine Weise ein gewissenhafter Mann – und obwohl seine Auffassung von Pflichterfüllung sich nicht in jedem Punkt mit der meinen deckte, bestimmte sie sein Verhalten. Ich hätte gut getan, daran zu denken. Als ich es endlich herausfand und begriff – da hatte sich die Kette der Ereignisse bereits um ein weiteres verhängnisvolles Glied verlängert.
    Nach einer Anzahl weiterer gleichförmiger Tage hatte ich mich zur Ruhe begeben. Peinigende Kopfschmerzen – eine Erinnerung an einen üblen Unfall mit einem Kolibri – hinderten mich lange am Einschlafen. Irgendwann fielen mir aber doch die Augen zu.
    Eine Hand, die sich auf meine Schulter fegte, rüttelte mich wach.
    Ich erkannte Grischa Romens aufgeregte Stimme. »Sir! Sir, es ist etwas passiert.«
    Ich fuhr aus der Koje und griff
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