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Mark Brandis - Raumsonde Epsilon

Mark Brandis - Raumsonde Epsilon

Titel: Mark Brandis - Raumsonde Epsilon
Autoren: Mark Brandis
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dachte nicht länger darüber nach. In diesem Punkt hielt ich es mit Napoleon, der einmal zu einem zaudernden Offizier gesagt haben soll: etwas Falsches zu tun sei immer noch besser, als gar nichts zu unternehmen.
    Captain van Kerk, der Pilot, warf einen Blick auf die Uhr. »Fast Essenszeit, Sir! Haben Sie eine Ahnung, was heute auf der Karte steht?«
    »Milchstraßensuppe, wenn mich nicht alles täuscht«, erwiderte ich, »danach entweder Stier oder Steinbock. Unser Koch war sich heute früh noch nicht ganz schlüssig.«
    »Ausgezeichnet, Sir«, bestätigte Captain van Kerk mit todernstem Gesicht. »Die Wahl zwischen Zwillingen am Spieß oder Jungfrau vom Grill wäre mir erheblich schwerer gefallen.«
    Unsere Scherze wiederholten sich; der Witz hatte sich aufgebraucht. Die Eintönigkeit der Reise zehrte an den Nerven; im Hintergrund des Einerleis der Tage lauerten Spannungen und Verdruß. Irgendwann kommt für jede Besatzung die Stunde, in der sie der Gefangenschaft im dahinstürmenden, gleichwohl scheinbar unbeweglichen Schiff müde wird. Unsere Erwartungen richteten sich nun allmählich auf die bevorstehende Landung. Die Abwechslung würde den wachsenden Mißmut hinwegfegen.
    Mit dem Ertönen des Gongs, der die Mittagsmahlzeit ankündigte, versammelte sich die gesamte Hermes-Crew in der Messe. Per Dahlsen, der Koch, servierte.
    Nicht nur mit ihrem Protonenantrieb hatte die Epsilon-Klasse, zu der auch die Hermes gehörte, eine neue Ära der Raumfahrt eröffnet. Für das Bezwingen großer Räume war neben der Geschwindigkeit das Wohlbefinden der Mannschaft ausschlaggebend. Konzentrierte Nahrung, wie sie an Bord anderer Schiffstypen mitgeführt wurde, mochte zwar den Hunger stillen, aber das allein genügte ja nicht. Die Hermes – für lange Expeditionen entworfen und gebaut – verfügte aus diesem Grunde über ihr eigenes, autonomes Küchenreich, in dem Per Dahlsen König war. Seine Gefrierkammern strotzten von mitgeführten Fleischsorten und Gemüsen. Ein Jahr lang konnte eine achtköpfige Besatzung darin schwelgen.
    Iwan Stroganows Windjammerzeit war ferne Vergangenheit. Statt spartanisch ausgerüsteter Karavellen kreuzten nun riesige Luxusliner unter den Sternen: vollklimatisiert, ausgestattet mit einem bordinternen Schwerefeld, bequemen Schlaf- und Ruheräumen und allen sanitären Anlagen.
    Zum erstenmal an diesem Tag bestand für mich die Hermes-Besatzung nicht aus jederzeit abrufbereiten Stationen mit ihren blechern-unpersönlichen Stimmen, sondern aus vertrauten, lebendigen Gesichtern, und jeder von ihnen durfte erwarten, daß der Commander mit ihm sprach.
    »Ausgezeichnet, was Sie da mal wieder auf den Tisch des Hauses gezaubert haben, Sergeant!«
    »Oh, Sir – nicht der Rede wert!« Per Dahlsen, der Smutje, strahlte. »Es ist und bleibt schließlich ein Notbehelf. Bei den nächsten Expeditionsschiffen muß unbedingt noch ein Küchengarten für frische Kräuter mit eingeplant werden.«
    »Es gibt da einige neue Theorien zum Thema Lichtgeschwindigkeit, Mr. Xuma. Wollen Sie mein Lesegerät einmal haben?«
    »Herzlich gern, Sir.« William Xuma, der Erste Ingenieur, neigte zustimmend sein schwarzes Haupt. »Vielleicht heute abend.«
    »Der Schaden am Radar ist gewiß ärgerlich, Lieutenant – aber wie ich sehe, lassen Sie sich dennoch den Appetit nicht verderben.«
    »Mein Appetit, Sir« – Konstantin Simopulos, der Radar-Controller, grinste – »hat noch niemals Rotlicht gezeigt.«
    »Mr. Stroganow – was halten Sie anschließend von einer kleinen Schachpartie?«
    »Sehr gern, Sir«, willigte lwan Stroganow, der Navigator, ein, »auch wenn man schon einen ganzen Computer aufbieten muß, um Sie zu schlagen.«
    »Aber ganz und gar nicht. Erst gestern hat mich Lieutenant Mercier mit dem sechsundvierzigsten Zug schachmatt gesetzt. Stimmt‘s, Mr. Mercier?«
    »Fast«, bestätigte Antoine Mercier, der Funker. »Es war eine perfekte Falle, und ich lief direkt hinein. Es kostete mich die Dame.«
    »Ihrem Gesicht, Captain«, fuhr ich fort, mich meinem Piloten zuwendend, »sehe ich an, daß Ihnen das heutige Menü mundet. Was ist es denn, woran Sie nagen? Zwilling oder Jungfrau?«
    »Zu meiner Beruhigung«, antwortete Captain van Kerk mit der ihm angeborenen unnachahmlichen Trockenheit des Ausdrucks, »handelt es sich hierbei um ein schlichtes Steak. Ich erwähne dies, obwohl es mir schwerfällt, Ihre Illusionen zu zerstören, Sir.«
    »Was ich Sie, Mr. Koskinen, schon lange fragen wollte: Trifft es zu, daß Sie
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