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Mark Beamon 01 - Der Auftrag

Mark Beamon 01 - Der Auftrag

Titel: Mark Beamon 01 - Der Auftrag
Autoren: Kyle Mills
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schüttelte den Kopf. Die Menge lachte mit ihm. Er hatte immer schon gewusst, dass eine gute Predigt einer Achterbahnfahrt glich. Nur wenn sich Eindringlichkeit und Ernst auch mal mit einem kleinen Scherz oder einem lockeren Spruch abwechselten, erreichte man die größtmögliche Wirkung. Andernfalls ermüdete man die armen Kreaturen lediglich.
    »Es gibt etwas, das ich euch allen sagen muss«, fuhr er in seinem vertraulichen Ton fort und seufzte. »Lasst mir nur zuerst einen Augenblick, um mich zu fassen.«
    Er setzte sich und schaute wieder in die Menge. Trotz der grellen Scheinwerfer konnte er die besorgten Gesichter in den ersten Reihen erkennen. Er gab dem Leiter des Chors ein Zeichen, der sich umdrehte und »The Old Rugged Cross« anstimmte. Als der Chor einfiel, gestattete sich Blake ein trauriges Lächeln. Es war ein Lied, das ihn stets besonders berührte.
    Wenn er auf seinem Platz saß, dem Chor lauschte und den Blick durch seine Kirche schweifen ließ, verspürte er stets ein wenig Bedauern. Es war unbestreitbar, dass sie funktional gebaut war. Sie bot Platz für Tausende, war akustisch perfekt, es gab genügend Parkplätze, und die gesamte Technik zur Bild- und Tonübertragung war raffiniert versteckt. Was ihn störte, war die Atmosphäre. Er hatte sich eine eher gotische Kirche vorgestellt, mit Buntglasfenstern und kunstvoll verziertem Mauerwerk. Bekommen hatte er dagegen ein sprödes Zeugnis des menschlichen Intellekts und kein Monument des menschlichen Geistes, wie er es erhofft hatte. Die schroffen Winkel und die kahlen Wände kündeten von nüchterner Mathematik und berührten weder Herz noch Seele.
    Die Architekten, mit denen er sich immer noch vor Gericht herumstritt, wehrten sich mit der Behauptung, dass sie ihm die Zeichnungen in jedem Stadium des Entwurfs vorgelegt und er sie alle genehmigt hätte. Aber was verstand er schon von Aufrissen und Konstruktionsplänen? Er war ein Mann Gottes.
    Mit der Vollendung seiner Kirche hatte Blakes Vorherrschaft auf dem heiß umkämpften Markt der Fernsehprediger begonnen. Sein Unternehmen war rasch expandiert, womit er von Anfang an gerechnet hatte, und sein Bekanntheitsgrad war stetig größer geworden durch eine endlose Reihe von Büchern, die Ghostwriter für ihn geschrieben hatten, durch eine kleine Hochschule in Tennessee und dank einer kontinuierlich wachsenden Gruppe mächtiger politischer Verbündeter. Wenn der Herr nicht für die Seinen sorgte, gab es genug Kongressabgeordnete, die es stattdessen taten, das hatte Blake schon frühzeitig in seiner Karriere entdeckt. Um sein gutes Verhältnis zu den Männern an der Macht zu festigen, spendete er regelmäßig namhafte Summen für diverse Wahlkämpfe und unterstützte seine Verbündeten nachhaltig mit sämtlichen Medien seines immer weiter expandierenden Konzerns.
    Natürlich waren diese Verbündeten genauso gottlos wie Schwerverbrecher in der Todeszelle. Lasterhafte Männer, denen es lediglich darum ging, die eigene Macht, den eigenen Einfluss zu mehren. Huren. Doch der Herr hatte ihn gelehrt, dass es gerade diese Schwächen waren, durch die sie so lächerlich leicht zu manipulieren waren. Er ignorierte einfach, dass in ihren finsteren Herzen nur Gier und Lüsternheit hausten. Ihre Interessen waren belanglos – sie waren lediglich Werkzeuge. Und durch ihn waren sie, ohne es zu wissen, zu Gottes Werkzeugen geworden.
    Als die letzte Strophe von »The Old Rugged Cross« durch die Kirche hallte, ging Blake mit gesenktem Kopf zurück zu dem Ambo. Er holte tief Atem, was in der ganzen Kirche deutlich zu vernehmen war.
    »Es bekümmert mich so sehr, dass ich nicht weiß, wie ich es in Worte kleiden soll«, begann er. »Ein Kind unserer Gemeinde ist letzte Woche ermordet worden.«
    »Nein!«, schrien einige. »Herr, rette uns!« Blake hob eine Hand und forderte Ruhe.
    »Bobby McEntyre war sechzehn. Er war in der Footballmannschaft seiner Highschool. Er war ein guter Student und aktiv in seiner Kirche tätig.« Blakes Augen wurden feucht, und eine Träne lief über seine Wange. Er strich sich mit dem Ärmel seines dunklen Anzugs übers Gesicht und wischte sie weg. Die Gemeinde bekundete murmelnd ihre Anteilnahme.
    »Bobby wollte mit ein paar Freunden zu einem Supermarkt in East Baltimore fahren.« Blake zuckte heftig die Schultern. »Es war ein ganz gewöhnlicher Mittwochabend – nicht spät – ungefähr acht Uhr. Bobbys Freunde begriffen erst gar nicht, was geschehen war, als ihre Windschutzscheibe
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