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Mark Beamon 01 - Der Auftrag

Mark Beamon 01 - Der Auftrag

Titel: Mark Beamon 01 - Der Auftrag
Autoren: Kyle Mills
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übergießen und anzuzünden. Blake blätterte um und fand auf der nächsten Seite ein weiteres Bild. Es zeigte den Jungen im Krankenhaus, von oben bis unten bandagiert. Das einzige sichtbare Stückchen Haut war ein kleiner Fleck auf der rechten Schulter. Seine Augen waren verdeckt mit dicken runden Kompressen, die aussahen wie Schwämme, mit denen man Autos polierte. Durchsichtige Plastikschläuche liefen von seiner Nase aus zu einer komplizierten Apparatur neben dem Bett.
    Angewidert riss Blake den Artikel heraus und stopfte ihn in seine Aktentasche. Zu schade, dass der Junge kein Weißer war – eine solche Geschichte würde garantiert eine Rekordkollekte einbringen.
    Blake rutschte etwas zur Seite, damit er das Gesicht seines Fahrers sehen konnte. »Haben Sie von dem Jungen in Washington gelesen, den man angezündet hat?«
    »Hab ich, Reverend. Bricht einem das Herz, was?«
    »Warum passiert so was? Kann man denn gar nichts tun, um diese Kinder von Drogen fern zu halten?«
    Carl war einer der wenigen Farbigen, die Blake gut kannte. Er ging davon aus, dass die Farbigen eine homogene Gemeinschaft bildeten und sein Chauffeur ihr Sprecher war.
    »Ich weiß nicht, Reverend. Die meisten Kids, die ich kenne, haben zu Hause kaum so was wie ein Familienleben. Und selbst wenn sie es hätten, würde es nichts nutzen. Der Druck, cool zu sein, Drogen zu nehmen und dieser ganze Kram – der ist ziemlich stark, wissen Sie? Und irgendwann kommt die Zeit, wo die Kids nicht mehr länger auf ihre Eltern hören wollen. Es ist einfach das alte Problem – die Kids wollen erwachsen sein, sich wichtig fühlen.«
    Blake schmunzelte. Carl hatte wirklich ein gottgegebenes Talent zur Vereinfachung. »Ich erinnere mich noch an meine Kindheit und wie wichtig es war, dazuzugehören«, räumte er ein. »Aber ich erinnere mich nicht, dass man die unbeliebten Kinder kurzerhand angezündet hätte.« Er rutschte wieder zur Mitte des Sitzes und schaltete einen kleinen Fernseher ein, um zu signalisieren, dass das Gespräch vorüber war.
    Der Verkehr wurde dichter, als der Highway in die zweispurige Straße überging, die durch Baltimore führte. Carl fuhr weiter nördlich am neuen Baseballstadion von Camden Yards vorbei und nahm eine Nebenstraße zum Parkhaus unter dem Gebäude, das die Verwaltungszentrale der Kirche beherbergte. Blake sprang so eilig aus dem Wagen, dass er fast seine Aktentasche vergessen hätte. Rasch ging er durch das dunkle Parkdeck zum Fahrstuhl. Seine Uhr zeigte 13.35, und er wusste, dass John Hobart seit exakt fünf Minuten wartete. Unpünktlichkeit gehörte nicht zu Hobarts Schwächen.
    Für seine Verwaltungszentrale hatte Blake den gesamten vierzehnten Stock eines rund neuntausend Quadratmeter großen Bürogebäudes gemietet, das im Inner Harbor von Baltimore bereits als Wolkenkratzer galt. Jeder, der zufällig in dieser elegant eingerichteten Etage landete, würde wahrscheinlich zunächst glauben, er sei in einer großen Anwaltskanzlei. Der beigefarbene Teppichboden war ebenso luxuriös wie die massive Holztäfelung und die antiken Mahagonitische, auf denen Kristallvasen mit Trockenblumen standen, und an den Wänden hingen Gemälde, denen man ansah, dass es sich um Originale handelte. Die Angestellten trugen dunkle Anzüge und die Sekretärinnen Röcke in gedeckten Farben und frisch gestärkte weiße Blusen. Nur die leise geistliche Musik, die aus unsichtbaren Lautsprechern kam, deutete auf die wahre Natur der Firma hin.
    Blake schritt eilig am Empfang vorbei, ohne den Gruß der jungen Frau zu erwidern, die dort hinter dem Schreibtisch saß. Als er in sein Vorzimmer kam, machte ihm die Sekretärin ein Zeichen, dass bereits jemand auf ihn wartete. Blake warf seinen Mantel aufs Sofa und ging durch die offene Tür ins Büro.
    »Tag, John. Entschuldigung, dass ich zu spät bin.«
    »Kein Problem, Reverend, ich bin auch gerade erst gekommen«, erwiderte John Hobart und schaute von dem Notizblock auf, der auf seinem Schoß lag.
    Blake setzte sich ihm gegenüber und zog einen Stift aus der Tasche. Er spürte, dass Hobart ihn beobachtete, doch er vermied es, seinen Blick zu erwidern. Hobarts Augen wirkten stets irgendwie starr und leblos, als sähe er alles, was man lieber verbergen würde, und nur Menschen, die sich in ihrer Macht unangreifbar fühlten, hielten diesem Blick stand; jeder andere reagierte unwillkürlich mit einem nervösen Lachen.
    Nachdem Blake eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens geworden war, hatte er
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