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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber
Autoren: Léo Malet
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sagte er: „Wir haben beide unsere Zeit vergeudet.“
    Ich war ganz anderer Ansicht,
was meine betraf.
    Von meiner Wohnung aus rief ich
in der Agentur an. Nichts Neues. Dann sah ich im Telefonbuch nach. Fünfmal
Badoux, mit fünf verschiedenen Vornamen.
    Gleich der erste Badoux, mit
dem mich eine Sekretärin verband, war der richtige. Albert.
    „Hallo? Monsieur Badoux?“
    „Am Apparat.“
    Eine kräftige, selbstsichere
Stimme mit leicht ordinärem Unterton. Wohlgenährt.
    „Hier Nestor Burma. Ich rufe an
wegen...“
    Er unterbrach mich, vollendete
amüsiert den angefangenen Satz, was mich etwas verwirrte:
    „...wegen meinem Sohn, ja, ich
weiß. Was sind Sie von Beruf, Monsieur Burma? Winkeladvokat? Zufällig grad ohne
Fall? Ich sag’s Ihnen lieber gleich: Sie sind nicht der Erste, der sich
anbietet. Sie haben die Nummer drei. Jawohl, ich verteile laufende Nummern, wie
beim Zahnarzt.“
    „Ich bin Detektiv, Monsieur.“
    „Inspektor?“
    „Privatdetektiv.“
    Er lachte laut auf:
    „Ach! Sehr schön! Wunderbar!
Privatdetektiv! Besser, viel besser als Rechtsanwalt. In der Kategorie stehn
Sie auf Platz eins. Aber trotzdem, damit haben Sie genausowenig Glück wie die
Herren Anwälte... Pech, hm? Denn etwas Kleingeld wär Ihnen doch sicher sehr
willkommen, oder?“
    Er begriff schnell. Für meinen
Geschmack zu schnell. Das Gespräch führte zu nichts.
    „Gegen Geld wehre ich mich nie,
Monsieur.“
    „Bei mir ist das auch gar nicht
nötig“, sagte er, immer noch amüsiert. „Am besten, Sie gehen zu einem
Pfandleiher. Man wird doch nicht alle umgebracht haben!“
    „Darum geht’s nicht
    „Wirklich nicht? Und worum
geht’s dann? Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, worum’s geht, hm? Ich bin
doch nicht von gestern. Hören Sie mal gut zu, alter Freund...“ Und dann brüllte
er mir Folgendes ins Ohr, wobei sich ernste Passagen mit Albernheiten
abwechselten:
    „...nur weil mein dämlicher
Herr Sohn auf die Idee kommt, über die Leiche eines Mannes zu stolpern, der
eines gewaltsamen Todes gestorben ist, sagen sich einige viele Vampire und
andere Blutsauger: mal sehen, ob da nichts zu holen ist. Wenn das Söhnchen in
der Patsche sitzt, weigert sich der Papa vielleicht nicht, ihm da rauszuhelfen.
Aber leider daneben getippt! Mein Sohn sitzt nicht in der Patsche. Ich kenn
ihn. Das getreue Ebenbild meiner verstorbenen Frau. Zu absolut nichts fähig,
nicht mal, einen Pfandleiher umzubringen. Das wäre zu schön. Außerdem,
angenommen, er hätte tatsächlich... Wollte er nicht sein eigenes Leben leben,
weit weg von mir?“
    Seine Stimme wurde ein wenig,
ein ganz klein wenig brüchig. Genug, daß ich es bemerkte.
    „...Ich hab ihn nicht
fallengelassen. Aber ich seh ihn nie. Er wollte in diesem Viertel mit den alten
Mauern wohnen. Das ist nämlich sein Tick, die alten Mauern. Ich mach in Eisen.
Stahlgerüste. Wir haben so gut wie keine gemeinsamen Interessen. Scheiße! Ich
bin dabei, Ihnen Familiengeheimnisse anzuvertrauen. Zum Totlachen, hm?“
    „Ich hab Sie nicht darum
gebeten, Monsieur.“
    „Aber ich will Ihnen
klarmachen, daß es überhaupt keinen Zweck hat, es ein zweites Mal zu versuchen.
Falls es Ihnen nochmal in den Fingern jucken sollte: um meinen Sohn mach ich
mir keine Sorgen. Für einen Mord hat er nicht genug Mumm, und wenn doch, dann
ist er alt genug, um alleine klarzukommen. Also keine Arbeit für einen
Privatdetektiv, Monsieur. Und auch keine für einen Anwalt. Jedenfalls, was mich
betrifft. Klar?“
    „Völlig klar. Entschuldigen Sie
die Störung.“
    „Keine Ursache. Für mich ist
das eine willkommene Abwechslung. Es macht mir Spaß. Was meinen Sie: Warum mach
ich mir die Mühe, selbst ans Telefon zu gehen? Weil es mir Spaß macht! Herrgott
nochmal! Zum ersten Mal in seinem Leben macht mir mein Sohn Spaß. Ich sollte
ihm den monatlichen Zuschuß verdoppeln! Also, nichts für ungut, Monsieur.
Adieu!“
    Er hängte ein.
    Vorsichtig legte ich den Hörer
auf die Gabel. Ganz langsam, so als handelte es sich um etwas äußerst
Kostbares. Meine Stirn war jetzt wohl so sorgenvoll gefurcht wie die von
Maurice Badoux. Der wohlgenährte Papa hatte eine laute Stimme. Man konnte Angst
vor ihm haben wie vor dem Schwarzen Mann. Aber eine kaum zurückgehaltene
Erregung ließ sie zittern. Auch wenn er das Gegenteil behauptete: sollte sein
Sohn sich da in etwas hineingeritten haben, dann würde er ihn schon wieder
rausholen. Der Junge hatte zwar Cabirol nicht getötet, aber er benahm sich
höchst
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