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Manuskript des Teufels

Manuskript des Teufels

Titel: Manuskript des Teufels
Autoren: Bert Saurbier
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sind unterschiedliche Theologen geworden. Ich, der defensive, gehorsame, zurückgezogene und Buße tuende Praktiker. Du, der aggressive, wissenschaftlich forschende, Neuland suchende, unruhige Pioniergeist. Sicherlich hat dich deine außergewöhnliche Begabung für Fremdsprachen verführt, die Wurzeln der Bibel, vor allem die des Alten Testaments zu erforschen. Denn wer sich mit den frühesten Quellen der jüdischen und christlichen Glaubensgeschichte beschäftigen will, muss sich mit der hebräischen, der aramäischen, der griechischen, der koptischen und der lateinischen Sprache auskennen. Was musst du in den letzten Jahren geschuftet haben.“ Er legte eine bedächtige Pause ein und holte tief Luft. „Beim Lesen deines Manuskripts hat sich mir eine Frage aufgedrängt. Gewiss hat unsere Freundschaft dazu beigetragen, dass du dich im Studium den Geisteswissenschaften zugewandt hast. Zu meiner Überraschung muss ich jetzt erkennen, dass aus dir auch ein hervorragender Naturwissenschaftler geworden wäre. Seit dem letzten Jahrhundert haben zunehmend physikalische und chemische Untersuchungsmethoden Bedeutung in der Bibelforschung gewonnen. Es ist beeindruckend zu lesen, wie die 1945 in der Nähe der ägyptischen Stadt Nag Hammadi bei Ausgrabungen gefundenen frühchristlichen Schriften oder wie die vor etwa 60 Jahren in unzugänglichen Felsenhöhlen bei Qumran am Schwarzen Meer zufällig von Hirten entdeckten vorchristlichen Schriftrollen an der Technischen Hochschule in Berlin einer Mikroröntgenfluoreszenz-Analyse unterzogen wurden. Du hast dargelegt, wie mit der Radiokarbon-Methode, die die Halbwertzeit von 5730 Jahren des Kohlenstoff-14-Isotops nutzt, das genaue Alter und meist auch die Herkunft von antiken Fundstücken zu ermitteln ist. Natürlich hat auch die Computertechnik Einzug gehalten in die Erforschung alter Schriften. Eigenarten von Schriftzügen und Schreibstilen können mittels komplizierter Computerprogramme analysiert und bestimmten Zeitepochen und Autoren zugeordnet werden. Mein Gott, zu Recht bezeichnet man die Bibel als das Buch der Bücher. Aber, wenn man die Entstehungsgeschichte des Alten Testamentes so kennenlernt, wie du sie in deinem Manuskript beschreibst, wird daraus eine spannungsgeladene Abenteuergeschichte.“
    „Hallo, mein lieber Trappistenmönch, mein Selbstwertgefühl platzt gleich wie ein zu dick aufgeblasener Luftballon. Kann es nicht sein, dass dein ungebremster Redeschwall als Druckausgleich für dein jahrelanges Schweigen zu verstehen ist?“
    „Stephan, du hast ja recht. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was der eigentliche Anlass für dieses Treffen ist. Dein Manuskript hat in mir ein gewaltiges Erdbeben ausgelöst. Die Grundfesten meiner Religiosität drohten tatsächlich zusammenzubrechen. Und ich muss dir etwas gestehen. Obwohl du mich persönlich angesprochen hattest, deine Ausführungen zu lesen und zu beurteilen, war ich so aufgewühlt, dass ich dieses außergewöhnliche Werk meinem Abt vorlegen musste. Er ist ein enger Vertrauter von mir, und ich schätze seine Meinung sehr.“ Während er weitersprach, suchte er in D’Auberts Augen zu lesen, ob ihm diese Offenbarung missfiel. „Eines Nachts und gegen die Klosterordnung stürmte der Abt in meine Klausur, riss mich aus tiefem Schlaf, sah mich entsetzt an und rief auf das Manuskript zeigend: ‚Das ist ein Werk des Teufels’.“
    Aloisius nahm zur Kenntnis, dass D’Aubert nicht sauer zu sein schien, sondern gespannt weiter zuhörte. „Ich starrte den Abt an, wollte von ihm wissen, wie er das meine. ‚Wie‘, schrie er. ‚Wäre es nicht wissenschaftlich begründet und nicht von einem habilitierten Theologen geschrieben, müsste man es genau so nennen.“ Aloisius Stimme klang zunehmend erregt. „Und er konnte sich nicht beruhigen. Seiner Meinung nach müsse alles getan werden, um zu verhindern, dass so etwas veröffentlicht würde. Er sähe sich gezwungen, bei unserem Bischof in Aachen vorzusprechen und ihn persönlich mit dem Wesentlichen des verheerenden, so nannte er den Inhalt, Gedankengutes vertraut zu machen.“
    „Aber ich wollte doch nur aufklären und der Wahrheit dienen“, unterbrach D’Aubert, doch Aloisius ließ sich nicht bremsen.
    „Nichts aber! Auf meine Frage, warum er nicht einfach dem Bischof das Manuskript per Bote oder Post zuschicke, reagierte der Abt entrüstet: ‚Auf keinen Fall darf dieses Dynamit-Exemplar jemals die Mauern unseres Klosters verlassen. Nur so ist absolut sicher,
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