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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder
Autoren: Anna Geller
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flussabwärts“, erklärte er flüsternd. „Alle drei Boote im Einsatz. Die ´WSP 6` liegt uns an nächsten und kommt so schnell es geht.“
    „Wir warten, bis sie da ist“, entschied Susanne ebenso leise. „Damit schneiden wir ihr vom Wasser her den Weg ab.“
    „Wenn sie ihren Zeitplan einhalten will, muss sie bald auslaufen“, warf Karin ein.
    Susanne bedachte sie wieder einmal mit einem langen unergründlichen Blick. Dann nickte sie. „Du hast Recht. Wir verteilen uns. Jeder nimmt einen Steg.“
    Chris wollte zu einem heftigen Protest ansetzen. Karin konnte unmöglich auf den schwankenden Booten balancieren. Aber während er noch nach einem passenden Einwand suchte, der sie nicht verletzen würde, war sie schon auf dem ersten Steg und gleich darauf in der Dunkelheit verschwunden. Hellwein und Susanne schlichen ebenfalls los.
    Chris schluckte seine Sorge herunter — es war ja auch niemand mehr da, der zugehört hätte — und nahm sich den letzten Steg vor. Er tastete sich über zusammengerollte Taue, Seilwinden und Relings. Dabei entzifferte er die „Santa Maria II“ und den „Johannes von Köln“. Auf dem „Erlkönig“ rammte er mit dem Kopf beinahe einen Mastbaum, und auf der „Petersen“ fiel er über einen rostigen Anker. Außer dem Knarzen der Planken unter seinen Füßen und dem Brodeln des aufgewühlten Wassers war nichts zu hören.
    Er kletterte von Boot zu Boot, versuchte hektisch, die Namenszüge an den Bugwänden zu lesen. Wie viel Zeit blieb ihnen noch? War Albertini überhaupt auf der „Schneekönigin“? War sie vielleicht schon ausgelaufen? Um auch Dennis an einen Baum zu binden?
    Der Wind peitschte ihm eiskalte Regentropfen ins Gesicht. Wenn nur Karin auf sich aufpasste! Die Decks waren nass und glitschig, die Boote schaukelten hin und her.
    Plötzlich hörte er Stimmen. Rufe, die vom Wind davongetragen wurden. Und Karins Schrei: „Chris! Susanne! Schnell!“
    Er sprang auf den Steg zurück, blieb mit dem rechten Fuß an einer Reling hängen und schlug der Länge nach hin.
    Von der linken Seite wehte Susannes Stimme herüber. „Karin! Gib Laut! Wo steckst du?“
    „Hier, zum Teufel! Hier! Sie haut ab!“
    Unter Chris vibrierte das Holz von Susannes und Hellweins Schritten. Trotz des stechenden Schmerzes im Knie rappelte er sich auf und rannte los.
    „Karin? Wo?“ Susannes Stimme war jetzt näher.
    „Hier! Hier! Sie hat den Jungen!“
    Die drei waren beinahe gleichzeitig bei der „Schneekönigin“ und sprangen an Bord. Das Boot schlingerte und kippelte. Aber Karin klammerte sich am Fahnenmast fest und stand aufrecht.
    Schemenhaft war ein kleines Boot auf dem Wasser zu erkennen. Darin saß eine Person, die sich mit aller Kraft in die Riemen legte.
    „Kommen Sie zurück!“, schrie Susanne. „Sie haben keine Chance!“
    Das Boot tanzte auf den Wellen, drehte sich einmal um die eigene Achse und trieb auf die „Schneekönigin“ zu, ehe es wieder auf Kurs gebracht wurde. Hellwein wühlte unter der roten Daunenjacke seine Waffe hervor. Aber er konnte nicht direkt auf Albertini zielen. In der Dunkelheit und bei den schlingernden Bewegungen des Kahns hätte er womöglich den Jungen getroffen. Also feuerte er zwei Schüsse in die Luft.
    Albertini schien jedoch völlig unbeeindruckt. Das kleine Boot bewegte sich im Schneckentempo von ihnen weg und verschwand endgültig in der Nacht.
    „Sie muss uns gehört haben“, erklärte Karin etwas atemlos. „Das Kind lag schon im Boot, als ich sie entdeckt habe.“
    „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ Susanne ballte die Fäuste und sah angestrengt über das Wasser. „Heinz! Wir brauchen alle verfügbaren Einheiten auf der anderen Rheinseite. Sofort! Wenn sie da unbemerkt landen kann, ist es zu spät für Dennis.“
    „Sie kommt nicht weit. Mit der Nussschale nicht! Wenn sie nach Weiss will, muss sie ja noch ein Stück flussaufwärts gegen die Strömung rudern.“ Karin deutete auf einen schnittigen weiß lackierten Segler neben ihnen. „Sie ist mit einem von denen da unterwegs.“
    Chris sah sofort, was sie meinte. Am Heck des Seglers waren zwei winzige Boote angebunden, die wie klobige Plastikwannen aussahen. Wenn Albertini in dem dritten saß, war es ein Wunder, dass sie überhaupt vorwärts kam.
    Ein dumpfes Stampfen ließ alle aufhorchen. War das endlich das Boot der Wasserschutzpolizei? Die „WSP 6“? Als Chris über den Fluss blickte, setzte sein Herzschlag für einen Moment aus. Ein riesiger Schlepperverband pflügte durch
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